Vorstellung im Münchner Nationaltheater Kollaps im Orchestergraben - Dirigent Stefan Soltesz gestorben

München · Es soll ein fröhlicher, bildgewaltiger Abend im Münchner Nationaltheater werden. Aber er endet kurz nach dem Beginn auf dramatische Weise: Einer der gefragtesten Dirigenten der Opernwelt stirbt nach einem Zusammenbruch im Orchestergraben.

 Stefan Soltesz im Jahr 2008, damaliger Intendant und Generalmusikdirektor des Aalto Theaters in Essen.

Stefan Soltesz im Jahr 2008, damaliger Intendant und Generalmusikdirektor des Aalto Theaters in Essen.

Foto: dpa/David-Wolfgang Ebener

Schock im Münchner Nationaltheater: Der weit über Deutschland hinaus gefragte Dirigent Stefan Soltesz ist während einer Vorstellung zusammengebrochen und gestorben. Mit Entsetzen und großer Trauer gebe die Bayerische Staatsoper den Tod des 73-Jährigen bekannt, teilte der Sprecher des Hauses, Michael Wuerges, mit. Zur Todesursache wollte er keine Angaben machen.

Der Vorfall ereignet sich am Freitagabend, während Soltesz die Komische Oper „Die schweigsame Frau“ dirigiert. Kurz vor dem Ende des 1. Aktes bricht der Dirigent plötzlich zusammen. „Er wurde dann sofort von Zuschauern und dem Theaterarzt versorgt“, schildert Wuerges am Samstag die aufwühlenden Szenen im Orchestergraben. Der Rettungsdienst wird gerufen, doch für den 73-Jährigen gibt es keine Hilfe mehr. Soltesz stirbt noch am selben Abend im Krankenhaus.

Die Musikwelt reagiert bestürzt, auch in den USA wird über Soltesz' Tod berichtet. „Die Nachricht über den Zusammenbruch und das Ableben von Stefan Soltesz macht mich zutiefst traurig“, sagt Opernintendant Serge Dorny. „Wir verlieren einen begnadeten Dirigenten. Ich verliere einen guten Freund. Meine Gedanken sind bei seiner Frau Michaela.“

Am Samstagabend sagt Dorny vor der Oper „Capriccio“: „Wir konnten Stefan Soltesz gestern nicht mehr applaudieren. Er hätte sich über unseren warmherzigen Applaus sehr gefreut.“ Daher wolle man nun nicht schweigend dem „großen Dirigenten“ gedenken, sondern mit Applaus - und das tat das Publikum dann auch. Die für Sonntag geplante Oper „Der Rosenkavalier“ sollte ebenfalls Soltesz gewidmet werden.

„Wenn große Künstler sterben, geht manchmal nicht nur ein Leben, sondern auch eine Ära unwiderruflich zu Ende“, schreibt die Deutsche Oper Berlin zu Soltesz' Tod, der einen solchen Punkt markiere. Der 73-Jährige sei der wohl letzte Repräsentant der österreichisch-ungarischen Kapellmeistertradition gewesen, die den Dirigentenberuf im 20. Jahrhundert nachhaltig geprägt habe. Er habe für alle Werke stilsicher den richtigen Ton gefunden.

Soltesz' Dirigat galt als mitreißend, schneller Ruhm interessierte ihn nicht. Die Bayerische Staatsoper würdigt den Ausnahmemusiker als „Handwerker an der Spitze eines Orchesters, eine Garantie für Respekt“ - für den Komponisten, aber auch für die Musikerinnen und Musiker des Orchesters und die Sänger. „Er war ein außergewöhnlich feinfühliger Dirigent, der die Partituren kristallklar machte und das Intime der Musik zu würdigen wusste.“ Dies habe ihm den Respekt aller Musiker der von ihm geleiteten Orchester eingebracht.

„Wir verlieren einen Dirigenten, dem wir unzählige musikalische Sternstunden zu verdanken haben“, kommentiert die Generalintendantin am Staatstheater Braunschweig, Dagmar Schlingmann, den Tod des 73-Jährigen. „Unvergesslich seine Aufführungen, die ich erleben durfte. Ein wahrer Meister“, so der Generalmusikdirektor des Staatsorchesters Braunschweig, Srba Dinić.

Merle Fahrholz, demnächst Intendantin des Aalto-Musiktheaters und der Essener Philharmoniker, meint: „Das hohe Niveau, mit dem das Orchester regelmäßig unser Publikum begeistert, geht nicht zuletzt auf das langjährige Wirken meines Vorvorgängers zurück.“

In Ungarn am 6. Januar 1949 geboren studiert Soltesz nach Angaben der Bayerischen Staatsoper Dirigieren, Komposition und Klavier an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien. Nach Stationen als Dirigent in Wien und Graz und als musikalischer Assistent von Karl Böhm, Christoph von Dohnányi und Herbert von Karajan bei den Salzburger Festspielen wird er Dirigent der Staatsoper Hamburg sowie Generalmusikdirektor am Staatstheater Braunschweig. Allein an der Deutschen Oper Berlin leitet er mehr als 350 Aufführungen.

Von 1992 bis 1997 wirkt er als Chefdirigent der Flämischen Oper in Antwerpen/Gent, von 1997 bis 2013 als Generalmusikdirektor der Essener Philharmoniker und Intendant des Aalto-Musiktheaters. Soltesz, der einen österreichischen Pass hat, gibt zudem Gastdirigate an allen großen deutschen Opernhäusern. Sein Talent führt ihn nach Wien, Paris, Rom, Budapest, Warschau, Amsterdam, London.

In München debütiert er an der Bayerischen Staatsoper 1995 mit der Oper „Der Barbier von Sevilla“ von Gioacchino Rossini. Darüber hinaus dirigiert er in der bayerischen Landeshauptstadt „La Bohème“, „Der fliegende Holländer“, „Arabella“ und vieles mehr. Das farbenprächtige Stück „Die schweigsame Frau“, eine Opernrarität, sollte am Freitag letztmalig in dieser Spielzeit am Nationaltheater aufgeführt werden.

„Kurz vor Ende des 1. Aktes ist Herr Soltesz im Graben zusammengebrochen“, berichtet Wuerges. Der Saal, in dem fast 2000 Menschen saßen und die eigentlich heitere Oper sahen, sei geräumt worden. „Und nach der Pause wurde letztendlich die Vorstellung abgebrochen.“ Das sei etwa gegen 20.20 Uhr gewesen, die Vorstellung hatte um 19.05 Uhr begonnen. „Wir waren fast ausverkauft.“

(top/dpa)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort