Brian Eno Das größte Genie des Pop

Düsseldorf · Die Bedeutung von Brian Eno für die zeitgenössische Musik kann man kaum überschätzen. Nun veröffentlicht der 72-Jährige eine Sammlung mit Filmmusiken.

 Brian Eno gründete 1971 Roxy Music. Nach zwei Alben verließ er die Band im Streit mit Bryan Ferry.

Brian Eno gründete 1971 Roxy Music. Nach zwei Alben verließ er die Band im Streit mit Bryan Ferry.

Foto: Rough Trade

Weil man so was ja nicht immer parat hat, gleich zu Beginn die Heldentaten von Brian Eno im Schnelldurchlauf: Er ist Mitbegründer von Roxy Music. Er arbeitete an der Berlin-Trilogie von David Bowie mit, darunter „Heroes“. Er produzierte die besten Alben der Talking Heads. Er erfand das Genre Ambient. Er machte U2 groß und richtete der Band das Mega-Album „The Joshua Tree“ mit dem Hit „With Or Without You“ ein. Na ja, und „Viva La Vida“ von Coldplay produzierte er halt auch noch.

 Man kann die Bedeutung von Brian Eno für die Popmusik nicht überschätzen. In der Aufzählung sind tolle eigene Werke wie „Another Green World“ noch gar nicht enthalten. Und dass er soeben das Album „Film Music 1976–2020“ mit Stücken veröffentlicht hat, die er für „Dune“ von David Lynch oder „Heat“ von Michael Mann komponierte, ist ein willkommener Anlass, den 72 Jahre alten Pop-Denker und Sound-Philosophen zu würdigen. Wobei man erwähnen sollte, dass er sich selbst nicht als Musiker sieht, sondern als Künstler. Er studierte an der Kunsthochschule in Ipswich, 1968 fertigte er seine erste Installation an. Und das mit der Musik sei eher Zufall gewesen, findet er.

 Britisches Understatement halt. Wie die Aussage, dass er stets nur jene Musik produziert habe, die ihm gerade fehlte. Als er in New York an einer lauten Straße lebte etwa, komponierte er das Ambient-Werk „On Land“. Als er sich am Flughafen Köln-Bonn über die scheußliche Beschallung ärgerte, produzierte er „Music For Airports“. Und weil er Computer zum Leben und Arbeiten braucht, komponierte er die schönste Startmusik aller Zeiten: das Signal für Windows 95.

 Gemeinsam mit Robert Fripp, dem Kopf von King Crimson, entwickelte er eine frühe Variante von Loop- und Samplemaschinen, die „Frippertronics“. Man fragt sich, wie er denkt, und was; wie er Kreativität kanalisiert, und womit. Er hat mal verraten, dass er mehr als 1000 Memos in seinem Handy speichert. Und irgendwo hieß es, dass er im Regal seines Studios keine Notizbücher stapelt, sondern Macbooks: für jedes Projekt ein eigener Laptop.

Die besten Alben: Brian Eno mit U2, Talking Heads, David Bowie, Roxy
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Die elf besten Alben von Brian Eno

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 Er wolle mit Musik den Alltag gestalten, hat er gesagt, mit Musik das Leben verbessern. Und natürlich weiß er, dass Musik im Kopf stattfindet. Er arbeitete früh mit Wiederholungen, weil er der Meinung ist, das Gehirn beginne irgendwann von alleine, nach etwas Neuem im Repetitiven zu suchen. Der Hörer malt sich die immergleichen Klangschleifen also von selbst bunt aus. Nach diesem Grundsatz funktionieren auch die Apps „Bloom“ und „Trope“, die Eno gestaltete: Darin kann man Sound mit dem Finger malen.

 Seine Filmmusik schreibt Eno denn auch nicht zu den Bildern. Er lässt sich die Handlung oder die Atmosphäre des Films lediglich erzählen. Dann macht er sich an den Soundtrack. Seine Platte „Music For Films“ aus dem Jahr 1978 enthielt ausschließlich Musik für Filme, die noch niemand gedreht hatte. Und sein Stück „An Ending (Ascent)“ gilt als eine der am meisten für Filme verwendeten Musiken überhaupt.

 Der Essayist Brian Dillion verglich Eno mit dem Schriftsteller W. G. Sebald. Sebald entwerfe Landschaften mit Worten. Er erwandere sie in der Schrift. Eno tue dasselbe, nur eben mit Tönen. Seine Kompositionen hätten etwas Utopisches, schreibt Dillon. Eno wolle die ideale Landschaft zum Klingen bringen. Er möchte in der Musik einen imaginären Raum schaffen, in dem es sich gut leben lasse. Eno sei ein romantischer Konzeptionist. Vielleicht passt er auch deshalb so gut in diese Zeit, in der man sucht nach Schönheit und Ruhe sehnt.

 Man stellt sich Brian Eno als immerzu denkenden Menschen vor, der das Neue sucht, alles ausprobieren und das Unerhörte zum Klingen bringen möchte. Für alle, bei denen es nicht so flüssig läuft, hat er netterweise einen Kartensatz mit dem Titel „Oblique Strategies“ entworfen. Auf jeder Karte steht eine Anweisung, die hilft, wenn man nicht weiterweiß. Die beste und wichtigste lautet: „Trust in the you of now“.

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