Wegen Corona Schlüsselbund statt Plattenteller

Düsseldorf/Langenfeld · Jan Schulte war DJ, bekam viel Beachtung als Musikproduzent mit eigenem Album. Doch Corona änderte alles. Jetzt ist er Hausmeister.

 Jan Schulte reiste vor Corona als DJ um die Welt: Die Musik führte ihn unter anderem nach Indonesien.

Jan Schulte reiste vor Corona als DJ um die Welt: Die Musik führte ihn unter anderem nach Indonesien.

Foto: privat

Ein dicker Schlüsselbund baumelt an der Hose, wie sich das für einen echten Hausmeister gehört. Hier in der Schaustelle in Langenfeld macht Jan Schulte viermal die Woche die Fenster zu, sieht nach dem Rechten oder richtet auch mal eine verstopfte Toilette. Das Foyer des Kulturzentrums atmet mit seinem weißen Marmorboden den verblassten Glanz der 1980er Jahre. Eine Zeit, in der auch in Langenfeld der Aufbruch in eine rosige Zukunft möglich schien. Heute treten hier Comedians auf, Klassik-Revuen werden gegeben, und im Kino der Stadthalle laufen kindergerechte Blockbuster. Nebenan befindet sich die örtliche Volkshochschule.

Für den Hausmeister ist dies eine ganz neue Welt. Bis zum Ausbruch der Corona-Pandemie war Schulte ein vielgebuchter DJ. An guten Wochenenden absolvierte er drei Auftritte, im Sommer spielte er auf Festivals. Die dunklen Clubs europäischer Großstädte waren die Arbeitswelt des Düsseldorfers, lange Partynächte zelebrierte das Publikum zu seiner Musikauswahl. Und auch zu Hause im „Salon des Amateurs, dort wo alle musikalischen Fäden in Düsseldorf zusammenlaufen, tritt „der Jan“ noch regelmäßig auf.

„Obwohl ich schon seit vielen Jahren als DJ und Musiker arbeite, habe ich erst 2018 den Schritt zum Vollprofi gewagt,“ erzählt Schulte während seines Kontrollganges durch das verwaiste Gebäude. Nach vielen Überlegungen gab er seinen Teilzeitjob bei einem Tonstudio auf, um sich voll auf die Musik zu konzentrieren. „Das erste Jahr lief sehr gut, ich hatte viele Auftritte in Clubs und auf Festivals und dazu einfach mehr Zeit, um selbst Musik zu machen“, sagt Schulte.

Herausgekommen ist dabei das hochgelobte Album mit dem wunderbar wortspielerischen Namen „Albumsi“. Gleich im ersten Track macht Schulte, der das Album unter seinem Pseudonym „Bufiman“ herausgebracht hat, klar, wohin die Reise bei ihm gehen wird: „Welcome to the Gala, Gala, Galaxy“ singt er über herrlich holpernde, verspulte Drum-Grooves. Wo die alle herkommen, schiebt er gleich hinterher: „Stereo Samples“. In der heutigen Zeit taugt so ein Album allerdings viel weniger als Quelle zum Geldverdienen, vielmehr ist es ein Promotioninstrument.

„Ich hatte diesen Sommer auch dank des Albums einen wirklich vollen Terminkalender“, sagt der Düsseldorfer. Auf Festivals im ganzen Mittelmeerraum war er gebucht. Dort, wo die Sonne scheint und das Partyvolk zu Schultes eklektischem, sommerlichen Musikmix tanzen sollte. Im Herbst sollte es dann mit den Club-Auftritten weitergehen. Mit bis zu drei Gigs an einem Wochenende wäre er gut beschäftigt gewesen.

„Ich habe sogar eigene Visuals und ein Live-Setup vorbereitet“, sagt Schulte konsterniert. Bisher habe er sein neues Album allerdings erst einmal vor Publikum spielen können, auf der Release-Party im „Salon“. Seinen letzten echten Auftritt hatte Schulte im März in Jakarta, als hierzulande der Lockdown gerade begonnen hatte.

Derzeit ist Schultes Branche von den Corona-Einschränkungen am härtesten betroffen. Tanzen mit Abstandsregeln funktioniert eben nicht in einer Kultur, zu der enge Tanzflächen, ungezwungener Kontakt zu Fremden und ein freudiges Feiern der Musik gehören.

Im Sommer hatte Schulte zwar einige Auftritte, bei denen das Publikum im Freien und mit Abstand vor ihm saß. Doch die reichen nicht einmal aus, um die Miete zu bezahlen. „Auch wenn es natürlich nicht dieselbe Energie ist, bin ich doch froh, dass überhaupt etwas passiert ist“, sagt Schulte.

Wann wieder so ungezwungen wie noch vor zehn Monaten gefeiert werden kann, das könne auch niemand genau sagen. „Ich vermisse meinen Job sehr“, sagt Schulte. „Ich wollte unbedingt als Profi Musik machen.“ In dieser Situation blieben dann auch depressive Momente nicht aus, gibt er unumwunden zu: „Dann überlege ich, welcher mein bester Auftritt war, oder ich hinterfrage meine Entscheidung, Vollzeit-Musiker geworden zu sein.“ Dank der Hausmeister-Stelle in Langenfeld kann er sich finanziell über Wasser halten, auch wenn er schon an sehr alte Ersparnisse gehen musste. „Ich hatte noch Geld, das mir meine Oma vor 15 Jahren für den Führerschein geschenkt hat“, sagt Schulte. Das sei jetzt weg, und der Führerschein müsse warten. Allein mit dieser Situation ist der Musiker natürlich nicht. Auf der ganzen Welt kämpften seine Freunde gerade ums finanzielle Überleben. „Mein Booker fährt in London jetzt Essen aus, ein anderer kocht und ich bin eben Hausmeister“, sagt Schulte.

Aufstecken will Schulte aber nicht, schließlich habe er sich für den Job sehr bewusst entschieden, sein Traumjob. Nun sitzt Jan Schulte im Hausmeisterzimmer, zwischen Mikrofonanlagen, Lichtschaltern und Sicherungskästen und erzählt mit funkelndem Stolz und ohne Melancholie von seinen Reisen und der Liebe zur Musik. Wie er zum Beispiel eine Maultrommel von einem Schamanen in Indonesien bekam, nubische Trommler in Assuan aufnahm, von seiner ersten Tour durch Australien oder seiner Begeisterung für den italienischen Übermusiker Lucio Battisti.

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