Rapper Ysa aus dem Düsseldorfer Brennpunkt Musik von der Potsdamer Straße

Düsseldorf · Rapper Ysa ist im Brennpunkt Hassels-Nord im Düsseldorfer Süden aufgewachsen, hat Abitur gemacht und studiert. Den Job bei einer Stadtverwaltung hat der 27-Jährige jedoch aufgegeben, er konzentriert sich nun ganz auf seine Musikkarriere.

 Rapper Ysa macht Musik über sein Viertel – die verrufene Haselnusssiedlung in Hassels.

Rapper Ysa macht Musik über sein Viertel – die verrufene Haselnusssiedlung in Hassels.

Foto: Anne Orthen (orth)/Anne Orthen (ort)

Salih Yildirim, Künstlername Ysa, kommt aus einem Viertel, in dem Müllhaufen und entwendete Einkaufswagen das Straßenbild prägen oder auf Laternenmasten und Mülleimern Sticker des verbotenen islamischen Netzwerks Ansaar kleben. Aber hier spielen auch die Kinder auf der Straße Fußball, die Nachbarn grüßen sich im Vorbeigehen, und auf den zahlreichen Spielplätzen schubsen Mütter ihre Kinder auf den Schaukeln an. Die Haselnusssiedlung in Hassels-Nord hat in Düsseldorf keinen guten Ruf, hier leben viele Menschen mit sozialen Problemen. Wer hier aufgewachsen ist, den hat das Viertel geprägt.

So auch Ysa. Der 27-Jährige lebt fast sein ganzes Leben in der Haselnusssiedlung. Er hat Abitur gemacht, studiert und eine Zeit lang in Mainz in der Verwaltung gearbeitet. Diesen sicheren, aber eintönigen Job hat er inzwischen jedoch aufgegeben, er ist Musiker und verfolgt den Traum, mit seinem harmonischen, von Pop beeinflussten Rap Karriere zu machen. „Ich will den Durchbruch schaffen, will finanzielle Unabhängigkeit mit dem erreichen, was ich liebe. Das ist, auf die eine oder andere Weise, der Traum von allen Menschen hier“, sagt Ysa und blickt auf die bunt gestrichenen Hochhäuser, die die Siedlung prägen.

Seit mehr als zehn Jahren schreibt er Texte, produziert seine eigene Musik. „Damals musste man die Beats selbst im Tonstudio machen – heute findet man tausende Vorlagen auf Youtube“, so der Rapper. Über 2000 Lieder, so sagt Ysa, hat er geschrieben, „manche sind nur Skizzen“. Andere jedoch haben professionell produzierte Musikvideos, wie etwa „Aus dem Dreck durch die Decke“, mit dem er den Geist seiner Jugend in der sozial schwachen Siedlung in Hassels eingefangen hat. „Jeder hier will etwas erreichen, die beengten Umstände hinter sich lassen“, sagt Ysa.

Dass er es selbst trotz Studium und angefangener Beamtenlaufbahn geschafft habe, das behauptet er nicht. „In so einem Umfeld aufzuwachsen, prägt einen Menschen, im Guten wie im Schlechten“, sagt Ysa. Vor einigen Jahren hat er seinen Vater gefragt, warum sie nicht in ein anderes Viertel ziehen – das Geld wäre da gewesen. „Und er hat gesagt: ‚Ich will hier nicht weg, ich habe hier meine Leute’“, erinnert sich der Musiker mit türkischen Wurzeln. „Hier wirst du nicht ausgegrenzt, weil du anders bist, einen Migrationshintergrund oder soziale Probleme hast. Die Menschen hier halten zusammen.“

Der 27-Jährige verschließt dennoch nicht die Augen vor den Problemen der Haselnusssiedlung. Zwar bemüht sich der Besitzer, die Wohnungsbaugesellschaft LEG, seit Jahren, für Ordnung und Sauberkeit zu sorgen, und die Situation hat sich auch schon verbessert, aber vor allem die wilden Müllkippen prägen nach wie vor das Bild der Siedlung. „Das sehen die Menschen, die hier leben, gar nicht mehr“, weiß Ysa. „Vielleicht wäre es auch die Verantwortung der Einwohner, sich für eine Verbesserung der Umstände einzusetzen.“

Ein wenig will er auch Vorbild sein, die Bedeutung von Bildung betonen und zeigen, dass man es dennoch aus einem solchen sozialen Brennpunkt schaffen kann, sein Leben aufzubauen. Deswegen achtet er auch bei seinen Lieder auf eine gewisse Allgemeinverträglichkeit. Straßen-Sprache verwendet er durchaus, auf übermäßige Beleidigungen, sexistische, drogen- oder gewaltverherrlichende Inhalte verzichtet Ysa jedoch bewusst. „Der HipHop hat mit einem negativen Image zu kämpfen, ich würde gern sehen, dass er positiver belegt ist“, sagt der Musiker aus Hassels.

Und mit dieser Motivation hat er Erfolg. Unlängst erschien sein Musikvideo „Blockkidz“, in dem die Haselnusssiedlung eine prominente Rolle spielt. Entstanden sind Lied und Video in Kooperation mit der LEG. „Über eine Bekannte, die bei der LEG arbeitet, ist man dort auf meine Arbeit aufmerksam geworden. Ich habe schon mehrere Videos hier im Quartier gedreht, und die LEG hat beschlossen, mich zu fördern.“

Entstanden sind einzigartige Bilder, etwa Ysa, der auf dem Dach einer der Wohntürme rappt. „Das wäre natürlich ohne die Mitarbeit des Eigentümers so gar nicht möglich gewesen“, sagt der 27-Jährige. Auch bei der LEG ist man mit dem Ergebnis zufrieden: „Blockkidz mutet an wie eine Hymne auf das Quartier. Der Song hilft gerade jungen Menschen, eine Identifikation mit der Siedlung und ein Heimatgefühl zu entwickeln“, heißt es von dem Wohnungsbauunternehmen wohlwollend.

Und Ysa will weitermachen, er hofft auf eine Karriere in der Musikbranche, wohlwissend, wie umkämpft das Feld ist. „Die Lables haben oft harte Konditionen für Neueinsteiger, ich versuche über Youtube und Tick Tock, mir einen Namen zu machen, ein paar kleine Erfolge, auf denen man aufbauen kann“, so der Rapper. Dafür ist er auch Mitglied der Musiker-Gruppe Quzett, kurz für „Quadro Zero“, der Vorwahl von Düsseldorf.

Neben der Musik hat Ysa zahlreiche andere Nebenjobs gemacht, im Augenblick arbeitet er daran, gemeinsam mit Freunden ein Corona-Testzentrum in der Umgebung der Haselnusssiedlung zu eröffnen. „Da hilft meine Erfahrung in der Verwaltung auf jeden Fall“, so der 27-Jährige

Im Augenblick arbeitet der Hasseler außerdem an einem ganz besonderen „Projekt“: In etwa einem Monat wird er seine Verlobte heiraten. „Dafür erstelle ich ein eigenes Album mit eigenen Liedern, das ihr Album sein soll“, so Ysa. Das Paar sucht derzeit seine erste gemeinsame Wohnung – außerhalb der Haselnusssiedlung. „Aber auch, wenn ich hier wegziehe, ich bleibe mit dem Viertel verbunden“, sagt Ysa.

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