Wenige Fans bei Konzert in Köln Marianne Rosenberg macht aus Zitronen Limonade

Köln · Marianne Rosenbergs Auftritt in der Kölner Arena hätte ein Fiasko werden können. Doch die 67-Jährige bewies Größe. Sie hatte nur 2000 Zuschauer. Aber es waren die richtigen 2000.

Marianne Rosenberg auf der Bühne der Kölner Arena.

Marianne Rosenberg auf der Bühne der Kölner Arena.

Foto: Thomas Banneyer

Das Gute an einer fast leeren Halle: Es bleibt viel Raum für Emotionen. So beherzigt Marianne Rosenberg denn auch die Weisheit eines beliebten Kalenderspruchs: Gibt Dir das Leben Zitronen, mach Limonade draus. Sie singt ihren Kracher „Er gehört zu mir“, und sie tätowiert den Anwesenden mit heißer Nadel die Verse „Ist es wahre Liebe? (uuh) / Die nie mehr vergeht (uuh)“ in die Gehörgänge. Das Publikum erhebt sich nach fast 45 Minuten endlich von den Sitzplätzen, es kann gar nicht anders bei diesem Lied. Die Leute kommen nach vorne an die Bühne, sie singen mit, rufen „Marianne!“ und tanzen zwischen den Reihen. Es sind zwar nur 2000 Fans da, aber es sind die richtigen 2000.

Marianne Rosenberg tritt in der Lanxess Arena in Köln auf, und eigentlich kann man an einem Ort, der für Konzerte mit bis zu 18.000 Zuschauern ausgelegt ist, kaum Atmosphäre schaffen unter diesen Umständen. Dass es der 67-Jährigen dennoch gelingt, beweist ihre Größe. Nach einer kurzen Phase der Akklimatisierung, als man sich noch in einer Probe wähnt oder bei einem Kongress über das Thema „Ver- und Entlieben“, streicht Rosenberg diesen Ort in der Farbe ihres Hosenanzugs an: pink.

Sie singt von ihr selbst eingedeutschte Versionen der Hits „Never Can Say Goodbye“ von Gloria Gaynor und „Don’t Leave Me This Way“ von Thelma Houston. Dazu glitzern zwei pralle Discokugeln am Bühnenhimmel. So sieht sich Marianne Rosenberg, und das ist auch der Titel ihrer Tournee: „Diva“.

In ausführlichen Ansprachen schwärmt sie von der Zeit, als Liebende sich „auf dem Dancefloor kennenlernten“. Sie plädiert für „Toleranz, Gemeinschaftssinn und einen mehrdimensionalen Liebesbegriff“. Und sie kokettiert ein bisschen: „Vor zwei Jahren habe ich mein 50. Bühnenjubiläum gefeiert“, sagt sie. Als es Applaus gibt, fügt sie an: „Danke, ich habe als Baby angefangen.“ Das Gros der Anwesenden kennt „Marleen“, seit es zum ersten Mal im Radio lief. Die Dame, die ihr Handy herauskramt, weil sie fotografieren möchte, wie sie und ihre Freundin mit Sektgläsern anstoßen, hat den Sperrbildschirm mit Fotos ihrer Enkel geschmückt.

Nicht so recht nachzuvollziehen ist die Entscheidung, nach „Er gehört zu mir“ eine 20-minütige Pause einzulegen. Die Stimmung war doch gerade so gut. Aber Rosenberg rettet die Ausgelassenheit in die zweite Hälfte. Es ist selten, dass man Paare in Konzert-Arenen Discofox tanzen sieht. Bei „Ich bin wie du“ passiert das aber, und von da an ist der Abend ein Selbstläufer. Sehr schön: Wie bei „Lieder der Nacht“ auf der Leinwand mehrfach ein „Aha“ eingeblendet wird, damit jeder weiß, wann es gesungen werden soll. Aha. Und vor dem großartigen Titel „Der Traum ist aus“ erzählt Rosenberg, die nun einen schwarzen Glitzeranzug trägt, von ihrer Freundschaft mit Rio Reiser und wie beide damals in Berliner Kneipen tranken, in denen man die Sonne nicht aufgehen sah.

Wer nach dem rund zweistündigen Auftritt die Halle ausfegen muss, wird die Worte „Liebe“, „Herz“ und „Traum“ zu großen Haufen schichten müssen, so oft fallen sie von der Bühne. Rosenberg bekommt Blumen angereicht, wie früher die Künstler in der ZDF-Hitparade. Zwischen Wiegeschritt-Rums-Beats mit Feten-Fanfaren streut sie Hymnen über Einsamkeit und Emanzipation. Acht Musiker sorgen für ordentlich Druck. Und besonders herrlich ist es, wenn die beiden Tänzerinnen wie dunkle Elfen um Rosenberg herumdiffundieren.

Am Ende umarmt eine Dame ihre Begleitung und seufzt: „So schön, dass Du mitgekommen bist.“ Ihnen und den anderen Teilnehmern dieses ungewöhnlichen Auftritts wird in den nächsten Tagen ein Satz wieder und wieder durch den Kopf kreisen. Er lautet: „Ist es wahre Liebe?“

Uuh.

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