Kirchenkrise im Erzbistum Köln Kardinal Jean-Claude Hollerich: „Ich würde an Woelkis Stelle nicht zurückkommen“

Berlin/Köln · Nach Einschätzung von Luxemburgs Kardinal Hollerich habe sich der Kölner Erzbischof zwar intensiv für die Aufarbeitung des Missbrauchs eingesetzt. Aber auch wegen seiner schlechten Kommunikation sei Kardinal Rainer Maria Woelki bei einer großen Mehrheit nicht mehr willkommen.

 Kardinal Jean-Claude Hollerich.

Kardinal Jean-Claude Hollerich.

Foto: Catholic Press Photo / dpao/Catholic Press Photo / dpa

Der Erzbischof von Köln, Rainer Maria Kardinal Woelki, sollte am Aschermittwoch besser nicht in sein Amt zurückkehren. Diese Meinung vertreten nicht nur zahlreiche katholische Laienvertreter – relativ unverblümt äußerte sie jetzt auch einer der wichtigsten Bischöfe der katholischen Kirche in Europa: Luxemburgs Kardinal Jean-Claude Hollerich, der in Berlin den diesjährigen, mit 10.000 Euro dotierten „Abraham-Geiger-Preis“ des jüdischen Rabbinerseminars Abraham-Geiger-Kolleg entgegennahm. Hollerich ist Präsident der Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Gemeinschaft und wurde von Papst Franziskus zum Generalrelator der im Oktober 2023 stattfindenden Weltbischofssynode berufen: Seine Aufgabe wird es sein, auf der Synode zwischen den Standpunkten zu vermitteln und die Debatten zusammenzufassen.

„Es scheint ja so zu sein, dass Kardinal Woelki in seinem Bistum bei einer großen Mehrheit nicht mehr willkommen ist“, sagte Hollerich. „Ich kann nicht sagen, was er tun soll – aber wenn es mir so ergehen würde, würde ich meinen Rücktritt einreichen.“ Dabei gehe es nicht um Schuld: Woelki habe sich aus Sicht von Hollerich „wirklich intensiv“ für die Aufarbeitung des Missbrauchs eingesetzt. „Aber er hat eine sehr schlechte Kommunikation“, sagte Hollerich am Tag des Rücktritts eines weiteren diözesanen Kommunikationsdirektors im Kölner Erzbistum. „Das erste Gutachten nicht zu veröffentlichen, das kann man im digitalen Zeitalter nicht machen.“ Für schwierig halte er es zudem, „wenn die Kosten der Gutachten die Entschädigungen für die Betroffenen überstiegen.“ Dann stimme etwas nicht. Wäre er selbst in der Situation Woelkis, würde er in irgendeine Gemeinde an der Basis gehen, etwa eine Studentengemeinde. „Als Christ muss ich ja nicht oben sein, um meinen Glauben zu leben“, sagte Hollerich. „Ich möchte Christ sein, Christus nachfolgen, so gut es geht, auch mit meinen Begrenzungen.“

Deutliche Worte fand Hollerich auch zum Outing von 125 queeren Kirchenmitarbeitern in der vergangenen Woche. Er selbst wisse, „dass ich unter meinen Priestern Homosexuelle habe“, sagte Hollerich. In Luxemburg werde niemand gekündigt, weil er homosexuell sei. „Das ist ein deutsches Problem, das es sonst in der Kirche nicht gibt“, sagte Hollerich. In Luxemburg seien etwa auch geschiedende Wiederverheiratete tätig. Würde er sie rausschmeißen, würden sie arbeitslos werden. Und dann stellte Hollerich eine Frage, die man sich in Deutschland in wohl vielen Debatten über das kirchliche Arbeitsrecht in der Vergangenheit gewünscht hätte: „Wie kann denn so etwas christlich sein?“ Die kirchliche Lehre, dass Homosexualität Sünde sei, nannte der Luxemburger Kardinal schlicht „falsch“. Er hoffe auf eine „Grundrevision“ der Lehre: „So, wie sich der Papst in der Vergangenheit geäußert hat, kann das zu einer Veränderung in der Lehre führen“, sagte Hollerich. „Denn ich glaube, dass das soziologisch-wissenschaftliche Fundament dieser Lehre nicht mehr stimmt.“ Im Neuen Testament sei nicht von Homosexualität, sondern von „homosexuellen Handlungen“ die Rede, bei denen es sich teilweise um heidnische Kulthandlungen gehandelt habe. „Das war natürlich verboten.“

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