Bonn Japanische Zeichner schufen Heidi

Bonn · Am Eingang steht Suzaku, in rotem Rock, mit weißem Oberteil. Breit öffnen sich die roten Flügel der Tiergottheit, die in Japan, China und Korea auch "Roter Vogel des Südens" genannt wird. Suzaku ist eine Figur aus dem Anime "Fushigi Yugi", das im alten China spielt. Mit Suzaku eröffnet die Bundeskunsthalle in Bonn jetzt ihre Ausstellung "Anime! High Art – Pop Culture".

Die Schau führt den Besucher durch die Geschichte des japanischen Animationsfilms. Der Name Anime stammt aus dem Lateinischen und bedeutet Geist oder Seele. Zusammen mit dem Manga, dem japanischen Comic, sprechen Animes eine internationale Bildsprache in künstlerisch hoher Qualität. Zwar entsprechen viele Figuren dem Kindchen-Schema – mit großen Köpfen, Kulleraugen und Stupsnasen –; doch drücken sie Sehnsüchte aus, die in vielen Kulturen verankert sind. Es geht um Liebe, Freundschaft, Vertrauen, auch um Macht, Gewalt, Hilflosigkeit.

Animes wurden in den 70er Jahren in Deutschland bekannt. Viele Besucher staunen darüber, dass Serien wie "Heidi", "Wickie und die starken Männer" und "Biene Maja" aus Japan stammen. Die europäischen Originalgeschichten dienten den japanischen Zeichnern als Vorlage, um die Helden zum Leben zu erwecken. Und tatsächlich erkennt man im Gesicht des Alpenkindes Heidi eine verblüffende Ähnlichkeit mit anderen Mädchen aus Animes. Ebenso wie bei Biene Maja und ihrem Freund Willi.

Die Animes für Mädchen zeichnen durch überspitzt dargestellte weibliche Charakterzüge aus: Sie sind kindlich, gleichzeitig sexy und verführerisch. Die "Shojo anime" richten sich an 14- bis 18-jährige Mädchen. Die Figuren haben Sternchenaugen und verkörpern die Idealvorstellung eines adretten Mädchens. In den Serien für ein jüngeres Publikum geht es oft um die Entwicklung von besonderen Kräften während des Heranwachsens. Damit greifen die Animes die Gefühle von Teenagern perfekt auf: Sie geben Antwort auf die Frage nach der eigenen Rolle, sie definieren Gut und Böse. Und stets verhalten sich die Figuren konform.

Diese Wirkung wird von der "Pink Industry" ins Gegenteil verkehrt, denn auch im Erotiksektor hat der Animationsfilm Einzug gehalten. In einem Extraraum, der mit rosa Plüschfransen ausgekleidet ist, dürfen Erwachsene die Schattenseite der Filmindustrie kennenlernen: Dort geht es um Macht über Frauen und um Männerfantasien.

Die Schau zeigt auch: Dies ist nur ein kleiner Teil der weiten Welt der Animes. Manch ältere Produktionen scheinen Katastrophen wie das Reaktorunglück in Fukushima vorherzusagen: Im gezeigten Film läuft ein Mädchen durch Felder, man sieht Zerstörung, fühlt die Bedrohung. Es wird deutlich, dass der Mensch die Schuld an der Veränderung der Natur trägt. Bei Animes geht es auch um Marketing und Verkauf: PC-Spiele, Filme, Handy-Downloads, Kostüme der Charaktere – all das gehört dazu und macht die Bonner Schau zu einem Erlebnis für Laien und Fans, für Jungen und Mädchen, Eltern und Kinder.

Info "Anime!" läuft bis 8. Januar in der Bundeskunsthalle Bonn, Friedrich-Ebert-Allee 4, Telefon: 0228 91710

(RP)
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