Zum Tod von Doris Day Danke für die schönen Nachmittage!

Die große Komödiantin Doris Day ist 97-jährig gestorben. Ihre Zeit waren die 1950er und 60er Jahre. Von privaten Schicksalsschlägen gebeutelt führte sie zuletzt ein Hotel in der Provinz.

Doris Day – US-Schauspielerin der 50er und 60er Jahre
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Doris Day – Hollywood-Legende der 50er und 60er Jahre

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Foto: dpa/-

Da bekommt man also die Nachricht, dass Doris Day gestorben ist, und dann denkt man direkt an die Sonntagnachmittage mit den Großeltern, an denen man „Bettgeflüster“ gesehen hat und gar nicht so genau wusste, worum es in diesem Film eigentlich ging. Aber man merkte doch, dass das ein guter Film war, man merkte das irgendwo in der Magengegend, denn da wurde es warm, und vielleicht lag das gar nicht so sehr an der Handlung oder an der schauspielerischen Leistung, sondern am Kakao und daran, dass hier eine Familie vor dem Fernseher saß, die da sonst nicht miteinander sitzen würde. Doris Day stiftete solche Momente der Geborgenheit, ihr gelang es, alle, die da saßen, zum Lachen zu bringen. Und dass es das heute gar nicht mehr gibt, Fernsehen auf Verabredung und Familienfernsehen, macht es noch viel schlimmer. So wird denn diese Todesnachricht zu einem Ereignis, das einen umso stärker berührt, weil man wehmütig wird und sentimental und neuerlich merkt, dass solche Stars eben doch auch auf uns abstrahlen: Doris Day streute Licht, sie war die Königin der Sonntagnachmittage.

So eine wie sie hätte man gerne zur Tante gehabt, eine coole Tante wäre das gewesen, eine ohne Onkel wahrscheinlich, und einige ihrer Filme wirkten ja auch wie Korrespondentenberichte: Das alles hat diese Frau erlebt, als sie gerade nicht zu Hause war. Doris Day war die patente Frau, als solche wurde sie zumindest am liebsten besetzt. Sie setzte sich den blonden Haarhelm auf für ihre Einsätze als Sitten-Feuerwehr. Sie war der Typus Frau, den man einst mit dem nur scheinbar gutmeinenden Prädikat „zum Pferdestehlen“ adelte. Sie war „America‘s Sweetheart“, zu ihrer Zeit die beliebteste Schauspielerin der Welt. Und wenn es gerecht zugeht, wird ihre Kunst heute allerorten als maßgeblich gewürdigt: Doris Day erfand nämlich ein komödiantisches Repertoire, das schulenbildend war und noch immer gültig ist. Schauspielerinnen wie Jennifer Aniston, Amy Poehler und Meg Ryan berufen sich auf sie. Das Vom-Leben-überrumpelt-Werden war die Kernkompetenz von Doris Day. Diese kokette Dauer-Empörung, die sie in ihren Filmen zur Schau trug, dieses gespielte Staunen, die Sauberkeit: Im Grunde war das ja alles nur Maske, denn stets verbarg sich dahinter eine Persönlichkeit, die doch den Durchblick hatte und spöttisch auf alles herabblickte.

Es war nicht leicht, Doris Day zu sein. Sie wurde als Tochter deutscher Einwanderer in den USA geboren, Doris Mary Ann von Kappelhoff lautet ihr Geburtsname. Als Mädchen hatte sie einen Traum: Sie wollte Tänzerin werden, aber ein schwerer Autounfall machte das unmöglich. Also nahm sie Gesangsunterricht, tingelte mit Jazzbands, und wer sich noch einmal ihren frühen Erfolg „Sentimental Journey“ aus dem Jahr 1945 anhört, wird zustimmen: Als Sängerin gehört sie in eine Liga mit Bing Crosby und Frank Sinatra. Ihr Hit ist natürlich „Que Sera, Que Sera“ (1956): Das Lied kann man an den Enden wie eine Hängematte zusammenknoten, sich dann wohlig hineinlegen und ein bisschen rumschaukeln.

Regisseur Michael Curtiz entdeckte das Mädchen mit der goldenen Stimme, er besetzte sie 1948 in dem Film „Zaubernächte in Rio“. Es folgten 38 weitere Produktionen, von denen die Komödien und Musicals die beliebtesten waren: „Spion in Spitzenhöschen“ (1966), „Ein Hauch von Nerz“ (1962) und „Bettgeflüster“ (1959), für den Doris Day ihre einzige Oscar-Nominierung bekam. Sie konnte aber auch Charakterrollen. Alfred Hitchcock erkannte das und holte sie für „Der Mann, der zu viel wusste“ (1956); bei David Miller spielte sie in „Mitternachtsspitzen“ (1960). Aber die Leute wollten sie doch eher als putzig-wütende Kumpanin sehen, und vielleicht wollte sie das selbst so. Als man ihr die Rolle der Mrs. Robinson in dem Film „Die Reifeprüfung“ anbot, lehnte sie jedenfalls ab. Ehrlich: Was wäre das für ein Film geworden, hätte sie zugesagt. Ein komplett anderer. Man hätte es gerne gesehen.

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Foto: AP/Carlo Fumagalli

Als „Anti-Marilyn“ inszenierte sie sich, als Gegensatz zur Monroe, und als ihre große Zeit sich dem Ende zuneigte, kam der Spott – natürlich vor allem der Männer. Ihr Leinwand-Partner Oscar Levant prägte den Satz „Ich kannte sie, bevor sie Jungfrau wurde.“ Mitte der 1960er Jahre begann eine andere Zeit, Doris Day war nun von gestern, hinzu kam das Pech im Privatleben. Sie wurde mit 18 Mutter, ließ sich mit 19 zum ersten Mal scheiden, hatte mit 27 den dritten Ehemann. Ihr Gatte und Manager Marty Melcher brachte ihr Vermögen durch und knebelte sie mit Fernsehverträgen, die sie gar nicht hatte abschließen wollen. So war sie bis Mitte der 1970er Jahre in der „Doris Day Show“ zu sehen. Danach zog sie sich zurück. 1981 ließ sie sich zum vierten Mal scheiden, 2005 starb ihr Sohn, der Musikproduzent Terry Melcher, der unter anderem die Byrds betreut hatte, an Krebs.

Menschen schien Doris Day nicht mehr so zu mögen. Sie eröffnete im kalifornischen Ort Carmel By The Sea ein kleines Hotel für Gäste mit Tieren. Hunde und Katzen hatten dort eigene Betten. Sie versteigerte Erinnerungsstücke, um Geld für Tierpflege zu sammeln. Sie engagierte sich gegen den Verzehr von Pferdefleisch. Manchmal sagte sie Sätze wie jenen, dass sich verurteilte Mörder doch bitte freiwillig für Medikamentenexperimente melden sollten. Und wenn sie in den wenigen Interviews, die sie gab, ihr Leben mit einer Pointe kommentierte, schimmerte Schmerz durch: „Die Ehe ist wie ein Telefon: Wenn man nicht richtig gewählt hat, ist man falsch verbunden.“

Sie war eine der letzten Überlebenden des alten Hollywood. Dafür, dass man ihr bescheuerte Drehbücher schrieb, an deren Ende sie sich allzu oft von charmanten Chauvis heiraten lassen musste, konnte sie nichts. Wofür man sie indes in Erinnerung behalten sollte, ist dieses: ihre elegant dahingezuckerte Ironie. Das Lachen. Die Fähigkeit, spontane Verliebtheit zu spielen. Und herzustellen. Die Unverbrüchlichkeit, mit der sie Doris Day war. 97 Jahre lang.

Thank you for the music. Und Danke für die schönen Sonntagnachmittage.

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