Warum es auch früher schon Impfgegner gab „Aus den Geimpften schlüpfen Kuhköpfe“

Impfgegner gab es schon immer. Die erste Impfung in Duisburg gegen die Pocken fand 1801 statt. Doch 1871/72 raffte die Seuche 571 Duisburger hinweg. Erst ein striktes Impfprogramm führte zur Ausrottung der Krankheit.

 „Aus den Geimpften schlüpfen kleine Kuhköpfe“ heißt diese Karikatur der Impfgegner gegen die Kuhpockenimpfung aus dem Jahr 1802.

„Aus den Geimpften schlüpfen kleine Kuhköpfe“ heißt diese Karikatur der Impfgegner gegen die Kuhpockenimpfung aus dem Jahr 1802.

Foto: wiki gemeinfrei

Impf-Ängste und Demonstrationen sind in der Corona-Krise höchst aktuell – dabei ist ein Corona-Impfstoff noch lange nicht auf dem Markt. Vor 220 Jahren gab es gegen Epidemien keine Impfmöglichkeit. So suchte die Pockenseuche Europa seit Jahrhunderten immer wieder heim, füllte die Friedhöfe mit Leichen und hinterließ bei den Überlebenden Narben. Viele attraktive Frauen überlebten die schwere Krankheit, aber die Pockennarben hinterließen oft tiefe Spuren, die mit viel Schminke überdeckt werden mussten. Selbst Kaiserin Maria Theresia, aber auch berühmte Männer wie Mozart, Haydn, Beethoven und der junge Goethe überstanden die gefährliche Infektionskrankheit. Doch die Todesrate lag bei etwa 30 Prozent. Bei den Pocken (altdeutsch: Blattern) handelt es sich um eine Virusinfektion, die durch Tröpfchen übertragen wird. Typische Symptome sind hohes Fieber und Abgeschlagenheit, ein entstellender Ausschlag vor allem im Gesicht, an Armen und Beinen.

Ende des 18. Jahrhunderts machte der englische Arzt Edward Jenner (1749-1823) eine neue Methode zur Immunisierung bekannt: Die Vakzination, die Impfung mit Kuhpocken-Viren (lat. vacca = Kuh). Jenner infizierte einen Jungen mit den harmlosen Kuhpocken, um ihn vor gefährlichen Menschenpocken zu schützen. Das risikoreiche Experiment erwies sich als erfolgreich – wenn auch durch einen aus heutiger Sicht ethisch bedenklichen Menschenversuch. Doch nicht alle Zeitgenossen waren davon begeistert. Impfgegner machten mobil. Britische Zeitungen druckten Spottbilder des Satirikers Gillray: Aus den Geimpften schlüpfen aus den unterschiedlichsten Körperteilen kleine Kuhköpfe.

Derweil diskutierte die Ärzteschaft auf dem Kontinent lebhaft über die neue Impf-Methode.

 Duisburger Impfpioniere: C.J. Carstanjen (1763-1840) und D.E. Günther (1752-1834).

Duisburger Impfpioniere: C.J. Carstanjen (1763-1840) und D.E. Günther (1752-1834).

Foto: Stadtarchiv/Küst

Die Medizinprofessoren Günther und Carstanjen der Alten Universität Duisburg waren in der damaligen Debatte von der Wirksamkeit der Kuhpocken-Impfung überzeugt. Am 12. Februar 1801 wurde die Impfung mit Kuhpocken von den Duisburger Medizinern „mit glücklichem Erfolg“ eingeführt. Aus zunächst nur lokalen Anwendungen entwickelte sich eine systematische medizinische Behandlung. In Preußen und in Duisburg war die Pockenimpfung allerdings nicht verpflichtend. Aber Impfungen waren – damals wie heute – immer wieder Opfer ihrer Erfolge. Je stärker Impfungen sich durchsetzen und die Pocken zurückgedrängt werden, desto sorgloser wurde die Bevölkerung. Das Virus liebte Versammlungen, Lazarette, Heimaturlauber und Festsäle. Während des preußisch-französischen Krieges von 1870/71 raffte die Kriegsseuche mehr Menschen dahin als die Kugeln der verfeindeten Parteien. Die Epidemie erreichte bald darauf Duisburg und traf auffällig viele Kinder aus armen Familien. 3011 Erkrankungen und 571 Tote lautete die Schreckensbilanz. Zur Einordnung: In der Stadt lebten damals 30.000 Menschen. Das Reichsgesundheitsamt stellte statistische Vergleichsuntersuchungen an und erklärte die auffällig hohe Zahl der Toten im Kindesalter mit der niedrigeren „Durchimpfung“. Der Gesetzgeber musste handeln. Am 8. April 1874 trat das reichsweit geltende Pockenschutzgesetz in Kraft. Eltern waren fortan verpflichtet, ihre Kinder im ersten Lebensjahr und im zwölften Lebensjahr impfen zu lassen. Bei Nichtbefolgung drohten Geld- und Haftstrafen. Größere Pockenepidemien blieben Duisburg und Deutschland damit erspart. Einige ältere Duisburger erinnern sich an das Jahr 1970, als vier Pockentote in Meschede bundesweit Aufsehen erregten. Unter den Opfern: Die 17-jährige Schwesterschülerin Barbara Berndt aus Duisburg-Hamborn. Angst erfasste die Menschen im Sauerland. Sie standen damals in Meschede Schlange, um sich nachträglich gegen Pocken impfen zu lassen. Seitdem ist Deutschland pockenfrei. Aber erst das gigantische Impf-Programm der Weltgesundheitsorganisation (WHO) führte zum Erlöschen der Krankheit auf allen Kontinenten. Bei keiner anderen Infektionskrankheit ist das bisher gelungen. Ob dies bei COVID-19 gelingen wird, bleibt zu hoffen.

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