Straßen-Artisten in Köln „Wer nichts geben will, muss ja nichts geben“

Köln · Wer täglich vor Kölns roten Ampeln wartet, kennt sie: Die Straßen-Künstler, die jonglieren, Seilspringen oder Handstand machen. Wir haben zwei gefragt, wie das Geschäft so läuft und warum Köln bei ihnen besonders beliebt ist.

 Artist an der Kreuzung Innere Kanalstraße / Neusser Straße.

Artist an der Kreuzung Innere Kanalstraße / Neusser Straße.

Foto: RP Online/Claudia Hauser

Köln, Kreuzung Innere Kanalstraße / Ecke Neusser Straße, die Ampel schaltet auf Rot. Lenny ist dran. Er zupft kurz seinen Hut zurecht, springt auf die Straße und wirbelt drei Keulen durch die Luft. Der 28-Jährige ist ein routinierter Jongleur. Was er im Kinderzirkus gelernt hat, bringt er jetzt auf die Straße. Sein Publikum: Die Menschen in den Autos an der Ampel. Nach seiner artistischen Showeinlage verbeugt sich Lenny und zieht lächelnd seinen Hut. Er geht an den Fenstern der Autos vorbei, manche gehen auf und jemand gibt ihm ein bisschen Kleingeld, andere bleiben zu. Bevor die Ampel auf Grün schaltet, macht Lenny einen Satz zurück auf den Gehweg.

Lenny heißt eigentlich anders. Er will aber anonym bleiben. Er ist einer von etwa acht Straßen-Artisten in Köln. Zu zweit stehen sie an Kreuzungen, an denen die Rotphase ein wenig länger dauert, am Kölner Zoo oder an der Opladener Straße in Deutz etwa. „Ich bin manchmal auch in Berlin oder in anderen Städten – aber in Köln werden wir am nettesten toleriert“, sagt er.

Tatsächlich sehen Stadt und Polizei keinen wirklichen Grund, den Straßen-Artisten das Jonglieren zu verbieten. Vorausgesetzt die Künstler behindern nicht den Verkehr oder betteln „aggressiv“, das wäre etwa der Fall, wenn sie mit ihrem Hut offensiv an die Autofahrer herantreten würden oder „lästig werden, in dem sie Leute anfassen, ansprechen oder sich ihnen in den Weg stellen“, wie ein Sprecher der Polizei sagt. Die Straßenkünstler gehen die Reihe der wartenden Autos aber nur ab – und lächeln nett. Da sie die Ampelphasen verinnerlicht haben, sind sie immer rechtzeitig zurück auf dem Gehweg, bevor die Autos anfahren. „Ihre Praxis lässt keinerlei Aggressivität erkennen“, sagt der Sprecher.

 Lenny möchte anonym bleiben.

Lenny möchte anonym bleiben.

Foto: RP Online/Hauser

Die Stadt ist nicht zuständig, da es sich um einen Eingriff in den fließenden Verkehr handelt. Und die Polizei sieht nur Anlass einzugreifen, wenn es zu Behinderungen kommt, es etwa einen Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung gibt. Streng genommen verstößt ein Jongleur dagegen, weil er als Fußgänger gilt und als solcher mitten auf der Straße nichts zu suchen hat. Dafür könnte er ein Verwarngeld von fünf Euro kassieren. „Das liegt im Ermessen der Beamten, die die Artisten wahrnehmen“, sagt der Sprecher. Auch eine Verwarnung ohne Bußgeld käme in Betracht. Würde ein Jongleur Leute belästigen, könnte das als Ordnungswidrigkeit geahndet werden – und mit einem Bußgeld von 100 Euro.

Lenny hat noch kein Knöllchen gekriegt. Wieviel er am Tag an Kölns roten Ampeln verdient, will er nicht sagen. Sein Kumpel sagt: „An guten Tagen ist das schon echt okay.“ Er hat auch schon auf Bühnen jongliert, vor größerem Publikum, sagt er. Hemmungen hat er deshalb nicht. Und er fühlt sich auch nicht als Bettler. „Wer nichts geben will, muss ja nichts geben“, sagt er. „Ich finde es halt nett, wenn die Leute zumindest kurz lächeln – manche starren auf ihr Handy oder gucken extra zur Seite, wenn wir vorbeigehen.“

Handstand an der Kreuzung: Straßen-Artist in Köln.

Handstand an der Kreuzung: Straßen-Artist in Köln.

Foto: RP Online/Hauser

In Köln-Nippes hatte die CDU in der Bezirksvertretung eine Anfrage an die Stadt zu den Gauklern gestellt mit dem Inhalt, ob es sich nicht doch um aggressives Betteln handeln könnte, da Autofahrer sich durch die Showeinlagen genötigt fühlen könnten, etwas zu spenden. Doch die Stadt sieht das ähnlich wie Lenny und seine Kollegen: Aggressives Betteln sieht anders aus. Und das Ordnungsamt wäre ohnehin erst zuständig, wenn die Jongleure vor geparkten Autos auftreten würden – also nicht im fließenden Verkehr, zu dem auch Autos vor einer roten Ampel zählen.

„Köln ist eben tolerant und nicht spießig“, sagt eine Radfahrerin, die an der Kreuzung auf Grün wartet. „Die Jungs sind zuckersüß und zeigen ihre kleine Artistenshow – das ist einfach nett.“

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