Überfüllte Krankenhäuser Spahn will Notaufnahmen entlasten

Berlin · Patienten mit vergleichsweise harmlosen Leiden sollen künftig nicht mehr direkt in die Krankenhäuser gehen. Die Versicherten sollen besser verteilt werden. Nicht alle sind begeistert.

 Jens Spahn (CDU), Bundesgesundheitsminister, am Montag in Berlin.

Jens Spahn (CDU), Bundesgesundheitsminister, am Montag in Berlin.

Foto: dpa/Jörg Carstensen

Gesundheitsminister Jens Spahn will die zum Teil völlig überlaufenen Notaufnahmen der Krankenhäuser entlasten, indem Fachpersonal vorab die Dringlichkeit der Behandlung von Patienten abklärt. Der CDU-Politiker schickte einen Arbeitsentwurf für eine entsprechende Reform an die Bundesländer und erklärte am Montag in Berlin, Menschen, die schnelle Hilfe brauchen, müssten häufig zu lange warten.

Deshalb sollten zur zentralen Steuerung Notfallleitstellen  sowohl unter der Notrufnummer 112 als auch der Nummer 116117 der Kassenärztlichen Vereinigungen erreichbar sein und entscheiden, ob Patienten in die Notaufnahme kommen, der Bereitschaftsdienst zuständig oder auch eine normale Sprechstunde ausreichen könnte. Wer direkt ein Krankenhaus aufsucht, soll in dem dort angesiedelten Integrierten Notfallzentrum aufgenommen und behandelt und entweder zur stationären Aufnahme oder ambulanten Versorgung geleitet werden. Der Vorstoß stieß auf breite Zustimmung. Die Bundesärztekammer bezweifelte allerdings, dass für die Reform ausreichend Geld und Ärzte zur Verfügung stehen.

Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach sagte unserer Redaktion: „Die Notfallversorgung in Deutschland muss besser organisiert werden.“ Lauterbach zufolge sterben in Deutschland mehr Menschen als in anderen Industrienationen an den akuten Folgen von Schlaganfällen, Herzinfarkten oder schweren Unfällen, weil sie in die falschen Krankenhäuser gebracht würden. Patienten mit leichten Erkrankungen wiederum blockierten zu oft die Notaufnahmen - selbst während der Öffnungszeiten von Haus- und Fachärzten. Lauterbach zeigte sich sicher, dass die Bundesländer mitziehen werden.

Zuspruch erhielt Spahn auch von Bundesärztekammerpräsident Klaus Reinhardt. Die Reform sei längst überfällig, sagte er. Eine strukturierte Zuordnung des Patienten zu der jeweilig erforderlichen Behandlungsebene biete eine Chance, die individuelle Behandlung zu optimieren, Notfallambulanzen zu entlasten und Wartezeiten zu reduzieren.

Die Kammer sieht für die Reform allerdings erheblichen Bedarf an zusätzlichen Mitteln und Medizinern. „Nach unserer Einschätzung reichen die Kapazitäten und Finanzmittel nicht für ein Notfallzentrum in jedem Krankenhaus aus“, teilte der Spitzenverband der Ärzte unserer Redaktion mit. Schon jetzt könne nur ein Teil der Kliniken die Vorgaben des Gemeinsamen Bundesausschuss erfüllen, der innerhalb des vom Gesetzgeber vorgegebenen Rahmens festlegt, welche Leistungen der medizinischen Versorgung von der gesetzlichen Krankenversicherung im Einzelnen übernommen werden. „Mit weiteren, neuen Bedingungen und Voraussetzungen ist zu rechnen“, hieß es. Zudem seien für die derzeit etablierten Portalpraxen und Notfallambulanzen teilweise schon nicht genügend Ärztinnen und Ärzte zu finden.

Die Grünen und die FDP begrüßten das Vorhaben und bezeichneten es als überfällig. Es dürfe aber keine Überlastung des Notrufs 112 geben. Auch die stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende Katja Leikert (CDU) unterstützte das Anliegen, pochte aber darauf, dass beide Rufnummern – 112 und 116 117 erhalten bleiben. „Bei der Entgegennahme des Anrufs bleibt somit erkennbar, welche Rufnummer der Anrufer gewählt hat.“

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