Düsseldorf Firmen kritisieren EU-Ökostrompläne

Düsseldorf · 524 Betriebe aus NRW sind bisher von der EEG-Umlage befreit. Die EU-Kommission will morgen ein Verfahren gegen das "Privileg" starten. ThyssenKrupp, Alunorf, Bayer und auch wichtige Verbände sind alarmiert.

Selten hat ein bevorstehendes Verfahren der EU-Kommission in der Wirtschaft an Rhein und Ruhr für so viel Unruhe gesorgt. 524 NRW-Betriebe profitieren bisher davon, dass sie wegen ihrer hohen Abhängigkeit von Strom die Umlage auf Ökostrom nicht zahlen müssen. Jetzt will die EU diesen Vorteil offenbar kippen.

"Das könnte uns mehr als 100 Millionen Euro kosten", warnt ein Sprecher von Bayer Material Science, der Chemiesparte von Bayer. Schon jetzt müssten die deutschen Standorte wie Leverkusen, Dormagen und Krefeld-Uerdingen pro Kilowattstunde doppelt so viel Geld für Strom ausgeben wie Bayer-Werke in den USA. Würde die Entlastung wegfallen, wären die hiesigen Stromkosten nach Bayer-Angaben viermal so hoch wie in Nordamerika. Damit ist für den Konzern auch klar, was der Wegfall des EEG-Privilegs bedeuten würde: "Die Wettbewerbsfähigkeit unserer Produktion in Deutschland wäre massiv gefährdet." Anders formuliert: Auf Dauer würde Bayer intern Aufträge in andere Länder verlagern, oder Wettbewerber würden Aufträge wegnehmen.

Noch schlimmer empfindet das Problem die Führung von ThyssenKrupp in Duisburg. Die Energieausgaben würden um rund 300 Millionen Euro steigen, wenn das Unternehmen die uneingeschränkte EEG-Umlage zahlen müsste, heißt es. Der Betriebsrat bereitet Proteste gegen die EU vor, wenn diese wirklich gegen die EEG-Ausnahmeregeln für die energieintensive Industrie vorgeht. Konzernchef Heinrich Hiesinger nimmt kein Blatt vor den Mund: "Wenn die EU-Kommission am Ende Entlastungen für unzulässig erklärt, dann ist die Stahlproduktion in Duisburg und an anderen Standorten gefährdet."

Ähnlich sieht die Lage bei Aluminium Norf in Neuss mit 2100 Arbeitsplätzen aus. Thomas Geupel, kaufmännischer Geschäftsführer, will sich zur konkreten Gefährdung des Unternehmens zwar nicht äußern, sieht aber die Entlastung von der EEG-Umlage als zwingend an: "Ich kann nicht nachvollziehen, wieso eine Befreiung von der Umlage, die Unternehmen mit hohem Energieverbrauch vor einem Nachteil in der internationalen Wirtschaft schützen sollte, nun als Vorteilsnahme ausgelegt werden kann."

Die Belastung der großen Unternehmen ist nur ein Teil des Problems. Laut Institut für Wirtschaft in Köln würden 1,2 Milliarden Euro auf alle Unternehmen in NRW zukommen. Auf Platz zwei bundesweit liegt Bayern mit rund 500 Millionen Euro. Bundesweit müssten die Unternehmen fast 3,9 Milliarden Euro mehr für Energien zahlen, darunter auch viele kleine Firmen aus der Region.

Allein Chemie- und Metallbranche müssten bundesweit jeweils eine Milliarde schultern, was das Aus für einige Firmen bedeuten würde. "Die Chemiebetriebe stehen im internationalen Wettbewerb, daher ist der Fortbestand der Ausgleichsregelung existenziell. Fällt sie weg, ist nicht nur der Bestand dieser Betriebe gefährdet, sondern es sind auch die nachfolgenden Unternehmen in der chemischen Wertschöpfungskette betroffen", erklärt Hans-Jürgen Mittelstaedt die Auswirkungen auf die Chemiebranche. Er ist Geschäftsführer des Landesverbands NRW im Verband der Chemischen Industrie (VDI). Ähnlich sieht das die Papierbranche. "Nur wenn die Ausgleichsregelung bleibt, wird die energieintensive Papierindustrie in Deutschland weiter produzieren können", sagt Klaus Windhagel, Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Papierfabriken e.V.

(RP)
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