Auto Fahrverbote in Deutschland am strengsten

Brüssel · Schlechte Luft gibt es in vielen EU-Staaten. Doch kein anderes Land reagiert darauf so wie Deutschland.

 Ein Schild an einer Straße weist in Stuttgart auf Fahrverbote für ältere Dieselfahrzeuge hin.

Ein Schild an einer Straße weist in Stuttgart auf Fahrverbote für ältere Dieselfahrzeuge hin.

Foto: dpa/Christoph Schmidt

In Brüsseler EU-Kreisen hört man zwar gelegentlich das deutsche Wort „Diesel-Fahrverbot“. Doch der Rest der Europäischen Union schaut einigermaßen verwundert darauf, wie energiegeladen im größten Mitgliedsland der EU um Grenzwerte bei der Luftreinhaltung und Fahrverbote für Autos in den Ballungsgebieten gerungen wird. Der baden-württembergische Europaabgeordnete Norbert Lins (CDU) hat dies etwa erlebt, als er im Umweltausschuss des Parlaments eine Studie durchgesetzt hat, die die Kriterien für die Auswahl der Messstationen vergleichen soll. Es habe lange von keinem Abgeordnetenkollegen Interesse an der Sache gegeben. Erst ganz zum Schluss habe ein Abgeordneter der 5-Sterne-Bewegung aus Italien durchgesetzt, dass im Zuge der Studie auch Messstationen in Italien untersucht werden.

Lins erklärt sich das mangelnde Interesse so: „Die Diskussion um die Grenzwerte ist in Deutschland ausgeprägter als in anderen europäischen Ländern. Das liegt vor allem an den unverhältnismäßigen Konsequenzen.“ Kein Land habe da so einen starken Druck wie Deutschland. „Nirgendwo sonst gibt es Fahrverbote für Euro-4-Diesel, nirgendwo sonst drohen bald Fahrverbote für Euro-5-Diesel.“

Dabei ist die Luft in mindestens fünf anderen Mitgliedstaaten der EU seit Jahren so schlecht, dass die EU-Kommission im Mai 2018 wegen jahrelangen Verletzens der Luftreinhaltungsrichtlinie nicht nur gegen Deutschland eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) eingeleitet hat. Betroffen sind auch Frankreich, Ungarn, Italien, Rumänien und das Vereinigte Königreich.

Die schärfsten Fahrverbote EU-weit gibt es tatsächlich in Stuttgart: Dort ist das gesamte Stadtgebiet inklusive der 23 Stadtbezirke seit Anfang des Jahres für Diesel-Pkw und Lkw bis Euro 4 gesperrt. Dagegen gibt es laut Lins zum jetzigen Zeitpunkt in keinem EU-Land ein Verbot für Euro-4-Diesel. Im Großraum Paris mit einer Bevölkerung von zehn Millionen seien lediglich Diesel bis Euro 2 verboten. In Italien gebe es Fahrverbote für Diesel bis Euro 3, in Budapest sei nur bei Smog-Alarm die Einfahrt mit Dieseln bis Euro 3 verboten. In Großbritanniens Hauptstadt London müssen emissionsintensive Autos in der Innenstadt Tages-Gebühren zahlen, die das Fahren auf Dauer zu einer teuren Angelegenheit machen.

Anders als in Deutschland sind aber in den meisten EU-Mitgliedstaaten relativ wenige Diesel-Fahrzeughalter von Fahrverboten betroffen. Daher rechnet sich Lins auch wenige Chancen aus, auf EU-Ebene eine Revision der Grenzwerte durchzusetzen. Dafür bedürfte es ohnehin eines Vorstoßes der EU-Kommission, im Rat und im Parlament müssten dann jeweils eine Mehrheit zustimmen. Lins sieht größere Erfolgsaussichten, die Auswahl der Messstationen in fünf Mitgliedstaaten zu vergleichen. Ergebnisse sollen Mitte März vorliegen. Wenn sich herausstellen sollte, dass in Deutschland die Kriterien falsch angewendet werden, sei dies auf nationaler Ebene korrigierbar.

Bleibt die Frage, warum es in Deutschland so gravierende Fahrverbote gibt und in anderen EU-Staaten nicht, obwohl diese ebenfalls unter schlechter Luft leiden? Die Fahrverbote in deutschen Städten wurden nicht freiwillig von den Behörden erlassen. Vielmehr wurden sie von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) in Verfahren vor Gericht durchgesetzt. Die DUH bedient sich dabei des Privilegs, dass sie als Verbraucher- und Umweltschutzverband Klagerechte hat. Grundsätzlich gibt es Verbandsklagerechte auch in allen anderen EU-Mitgliedstaaten. Dies sieht eine EU-Richtlinie aus dem Jahr 2009 vor. Jeder einzelne Mitgliedstaat kann aber entscheiden, nach welchen Kriterien er das Verbandsklagerecht vergibt.

Tipp zum Weiterlesen: Alle aktuellen Meldungen über drohende Diesel-Fahrverbote finden Sie in unserem Newsblog.

Auf EU-Ebene gibt es eine Organisation, die bereits vor der DUH die Behörden vor Gericht dazu gezwungen hat, Fahrverbote zu erlassen und Luftreinhaltepläne zu verabschieden. Dabei handelt es sich um Client Earth (Kunde Erde), die der Jurist James Thornton in London gegründet hat. Es dauerte sechs Jahre, bis er vor Gericht Erfolg hatte. Wie zu hören ist, kooperiert die DUH mit Client Earth. Client Earth operiert nicht nur von London aus, sondern ist auch in Belgien im Einsatz, um auf juristischem Weg Fahrverbote durchzusetzen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort