Schwerpunkt Eurokrise Chaos in Griechenland drückt Kurse

Nach einem letzten Versuch der Regierungsbildung steuert Athen auf Neuwahlen zu. Weil daraus Reformgegner als Sieger hervorzugehen drohen, wächst die Furcht vor dem ersten Euro-Austritt und dem Überspringen der Krise auf Spanien und Italien. Börsen und Euro gingen auf Talfahrt.

Berlin/Brüssel/Athen Griechenland steuert auf eine Neuwahl im Juni zu, aus der das radikale Linksbündnis als stärkste Partei hervorgehen dürfte, das die Spar- und Reformauflagen der EU und des Internationalen Währungsfonds (IWF) kategorisch ablehnt. An den Finanzmärkten und unter den europäischen Regierungen wuchs daher gestern die Sorge, Griechenland werde in wenigen Wochen Bankrott erklären und die Euro-Zone verlassen müssen. Dabei bewegt die Gemüter weniger die Sorge um das Schicksal der Griechen als das des Euro insgesamt: Noch ist die Gefahr der Ansteckung für andere größere Länder wie Spanien nicht gebannt.

Madrid musste Investoren gestern für zehnjährige Staatsanleihen 6,22 Prozent Zinsen bieten — das ist so viel wie lange nicht mehr und gilt auf Dauer als nicht tragbar. Auch die Zinsen Italiens kletterten auf 5,99 Prozent. Zugleich flüchten immer mehr Anleger in deutsche Anleihen, das drückte den Zins auf ein Rekordtief von 1,43 Prozent.

Der 82-jährige griechische Staatspräsident Karolos Papoulias startete gestern Abend einen letzten Versuch zur Regierungsbildung. Die Aussicht auf Erfolg war jedoch gering, nachdem der Chef des radikalen Linksbündnisses Syriza, Alexis Tsipras (37), seine Teilnahme an den Gesprächen abgesagt hatte. Die kleine Partei Demokratische Linke wiederum hatte eine Beteiligung an einer Regierungskoalition davon abhängig gemacht, dass auch Syriza sich der Regierung anschließt. Und die beiden Parteien Nea Dimokratia und Pasok, die bisher die Regierung stellten und am Sparkurs festhalten wollen, verfügen allein über keine Mehrheit. Bereits am Donnerstag könnte sich das frisch gewählte Parlament wieder auflösen. Dann wäre der Weg frei für Neuwahlen am 17. Juni.

Ohne die glaubwürdige Zusage einer neuen griechischen Regierung, die mit der EU vereinbarten Reformschritte einzuhalten, wollen EU und IWF Griechenland keine weiteren Hilfskredite mehr gewähren. Dem Land dürfte damit Ende Juni das Geld ausgehen. "Die Lage ist ernst", warnte Österreichs Finanzministerin Maria Fekter gestern vor dem Treffen mit ihren Amtskollegen in Brüssel. "Werden die Auflagen nicht erfüllt, wird kein Geld mehr fließen." Zwar könne man kein Land aus der Währungsunion werfen. "Aber man kann aus der EU austreten, dafür hat der Vertrag Möglichkeiten", warnte Fekter.

Die Kosten und Folgen einer Staatspleite und dem Ausscheiden Griechenlands aus der Euro-Zone sind jedoch nur schwer kalkulierbar: Die Unsicherheit der Anleger wuchs entsprechend. Der Deutsche Aktienindex (Dax) verlor gestern zeitweise um mehr als zwei Prozent. Der Euro fiel auf 1,28 US-Dollar, den tiefsten Stand seit Januar.

Vor allem Tsipras spekuliert damit, dass die europäischen Regierungen am Ende nicht den Mut haben, das Risiko einer griechischen Pleite wirklich einzugehen. Ob die EU die von Deutschland vertretene harte Linie gegenüber Griechenland beibehalten wird, ist tatsächlich offen. Euro-Gruppen-Chef Jean-Claude Juncker hatte am Wochenende vorgeschlagen, Griechenland mehr Zeit bei der Umsetzung der Sparziele einzuräumen.

Berlin blieb dagegen gestern hart und unmissverständlich: "Die Bundesregierung steht zu den Zielen, Inhalten und den vorgesehenen Zeitplänen", betonte Regierungssprecher Steffen Seibert.

Ein Aufweichen der Auflagen wäre in der Berliner Koalition kaum mehrheitsfähig. Die Chefin der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Gerda Hasselfeldt, bekräftigte gestern, Griechenland solle aus dem Euro ausscheiden, wenn es sich nicht an Absprachen halten wolle. Auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte sich bisher unnachgiebig gezeigt: Die Euro-Zone sei heute widerstandsfähiger als vor zwei Jahren.

Eine weitere schlechte Nachricht kam am späten Abend aus den USA: In einem Rundumschlag stufte die Ratingagentur Moody's insgesamt 26 italienische Banken herab, darunter Branchengrößen wie UniCredit und Intesa Sanpaolo. Moody's begründete den Schritt vor allem mit der schlechten wirtschaftlichen Verfassung Italiens.

(RP/jh-)
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