Borussia Dortmund Und jetzt?

Dortmund · Dortmund muss mal wieder neu aufbauen. Trainer Thomas Tuchel und Torjäger Pierre-Emerick Aubameyang stehen vor dem Abschied.

Tuchel und Watzke – Chronik einer Entfremdung
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Tuchel und Watzke – Chronik einer Entfremdung

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Foto: dpa, gki nic lof

Am Borsigplatz und auf den Straßen von Dortmund sind die Folgen einer großen Party nach dem Pokalsieg des BVB zusammengekehrt und entsorgt. Und auch in der Zentrale des Fußballunternehmens Borussia Dortmund beginnen die Aufräumarbeiten. Auf dem Terminzettel der Führungsfiguren stehen wichtige Gespräche. Sie betreffen wesentliche Personalien und damit die Zukunft des Pokalsiegers.

Gesprochen wird mit Trainer Thomas Tuchel und mit Torjäger Pierre-Emerick Aubameyang. Beiden sagen Vereinskreise den Abschied voraus. Aubameyang zieht es offenbar zu Paris St. Germain, das bereit sein soll, eine horrende Ablösesumme in der Nähe von 75 Millionen Euro zu bezahlen. Angebote soll es auch vom AC Mailand und aus China geben, von dort ein geradezu unmoralisches - 50 Millionen Jahresgehalt bietet Tianjin Quanjian. Dortmund muss sich darauf einstellen, die nächste Saison ohne den besten Torschützen (31 Treffer) der Bundesliga zu bestreiten.

Die hohe Ablösesumme erleichtert die Suche nach einem Nachfolger, die Garantie, jemanden zu finden, der eine ähnliche Trefferquote wie Aubameyang aufweist und derart gut ins BVB-Ensemble passt, gibt es nicht. Vielleicht wird der Klub sogar auf eine interne Lösung setzen. Schließlich hat er 30 Millionen Euro für die Verpflichtung des deutschen Nationalspielers André Schürrle an den VfL Wolfsburg gezahlt. Schürrle wurde entsprechenden Erwartungen - auch durch ein paar Verletzungspausen - nicht einmal im Ansatz gerecht. Wenn er mal fit war, wurde er allerdings stets als die Zweitbesetzung für Mittelstürmer Aubameyang aufgestellt.

Mit spieltaktischen Überlegungen wird sich aller Wahrscheinlichkeit nach ein neuer Trainer befassen. Gehandelt werden Lucien Favre (OGC Nizza) und Peter Bosz (Ajax Amsterdam) - zwei erklärte Spielerversteher. Tuchel hat trotz seiner bemerkenswerten sportlichen Erfolge, auf die er nach dem Pokalfinale natürlich hinwies ("wir haben alle unsere Ziele erreicht"), wohl kaum eine Zukunft im Klub. Intern wird ihm vorgehalten, dass ihm die soziale Kompetenz im Umgang mit Mannschaft und Vereinsmitarbeitern völlig abgehe.

Zuletzt hat ihm das erstaunlich offene Kritik führender Spieler seines Teams eingetragen. Ausgerechnet beim Saisonhöhepunkt in Berlin strich er Nuri Sahin aus dem Kader, den jeder im zentralen Mittelfeld erwartet hatte. Kapitän Marcel Schmelzer sagte: "Das hat uns alle geschockt. Die Erklärung dafür muss der Trainer geben, wir stehen alle hinter Nuri, er ist ein super Mensch und ein klasse Fußballer." So kritisiert niemand einen Coach, von dem er erwartet, dass er in der nächsten Saison noch im Amt ist.

Es ist der zweite Verstoß gegen das Loyalitätsprinzip, mit dem sich wichtige Menschen im verbalen Wettbewerb mit Tuchel in die Öffentlichkeit stellen. Den ersten Verstoß beging Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke. Er bestätigte in einem Interview das Zerwürfnis mit dem Trainer ("ja, das ist so"), und er tat es bewusst als Reaktion auf Tuchels Darstellung der Ereignisse rund um den Anschlag auf den Dortmunder Teambus am 11. April. Der Trainer hatte beklagt, weder er noch die Spieler seien über die schnelle Neuansetzung des Champions-League-Spiels gegen AS Monaco informiert worden. Damit drängte er Watzke, der gemeinsam mit der Uefa entschieden hatte, in die Ecke eines verbandshörigen kalten Funktionärs. Watzke schäumte vor Wut. Er versicherte, Tuchel in die Entscheidung miteingebunden zu haben. Der Mannschaft sei freigestellt gewesen, auf das Spiel zu verzichten. Deshalb ging er in die Öffentlichkeit und verstieß gezielt gegen das Prinzip, interne Dinge intern zu verhandeln. Schmelzer sah offenbar ebenfalls keine andere Möglichkeit, die Sicht von großen Teilen der Mannschaft bekannt zu machen. Dagegen steht Tuchels Behauptung, es gebe ein großes Vertrauensverhältnis zwischen ihm und der Mannschaft. "Eine besondere Leistung gibt es nur, wenn eine Verbindung zwischen Trainer und Spielern besteht", erklärte er.

Dazu hat Schmelzer nichts gesagt. Sahin schon. Allerdings ein paar Wochen vor dem Pokalfinale. Im ZDF-Sportstudio antwortete er auf die Frage nach dem Verhältnis zum Trainer: "Es ist so, wie es sein muss. Wir haben ein professionelles Verhältnis, so wie es sich gehört." Echte Liebe war es nie.

(pet)
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