Trainer muss gehen BVB trennt sich von Thomas Tuchel

Dortmund · Bundesligist Borussia Dortmund hat sich nach monatelangen Querelen von seinem Trainer Thomas Tuchel getrennt. Der BVB bestätigte das Aus für den Trainer, Tuchel selbst meldete sich bei Twitter zu Wort.

Tuchel und Watzke – Chronik einer Entfremdung
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Foto: dpa, gki nic lof

Über den Twitter-Account "@TTuchelofficial", den Tuchels Beraterfirma als offiziell bestätigte, verabschiedete sich Tuchel vom BVB. "Ich bin dankbar für zwei schöne, ereignisreiche und aufregende Jahre. Schade, dass es nicht weitergeht", twitterte er. "Danke an die Fans, an die Mannschaft, an den Staff und an alle, die uns unterstützt haben. Wünsche dem @BVB alles Gute." Der Account wurde erst am Montag erstellt, erst nach der Trennungsmeldung wurde er auch von Twitter durch einen blauen Haken als offiziell gekennzeichnet. Möglicherweise wollte Tuchel dem BVB zuvorkommen und nutzte deshalb kurzerhand den Kurznachrichtendienst.

Der BVB zog nach. Der Verein bestätigte etwa eine halbe Stunde nach Tuchels Tweets die Trennung. "Der BVB legt großen Wert auf die Feststellung, dass es sich bei der Ursache der Trennung keinesfalls um eine Meinungsverschiedenheit zwischen zwei Personen handelt. Das Wohl des Vereins Borussia Dortmund, den viel mehr als nur der sportliche Erfolg ausmacht, wird grundsätzlich immer wichtiger sein als Einzelpersonen und mögliche Differenzen zwischen diesen", hieß es in der Mitteilung. Über Hintergründe werde sich der Verein als Arbeitgeber nicht äußern.

Obwohl der 43 Jahre alte Tuchel mit der direkten Qualifikation der Borussia für die Champions League und dem Pokalsieg erfolgreiche Arbeit geleistet hatte, wurde die eigentlich bis 2018 vertraglich fixierte Zusammenarbeit vorzeitig beendet. Der mächtige BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke hatte mit seinem brisanten Interview ("Klarer Dissens") vor dem enorm wichtigen Spiel gegen 1899 Hoffenheim am 6. Mai den letzten Anstoß gegeben.

Beide Seiten hatten in den vergangenen Wochen auf jede erdenkliche Weise versucht, ihre Deutung des tiefen internen Zerwürfnisses zu platzieren - und sie damit öffentlich als Wahrheit zu verankern. Über Berater, lancierte Interviews oder bewusst gestreute Hintergründe.

Vieles bleibt allerdings auch jetzt unklar. War der Trainer intern derart unerträglich? Lügt er gar, wie Watzke andeutete? Oder liegt die Wahrheit ganz woanders? Konnte Watzke es schlicht nicht ertragen, wie glänzend Tuchel menschlich nach dem Bomben-Attentat vom 11. April dastand? War das Verhältnis zur Mannschaft irreparabel beschädigt? Die Reaktionen auf die Ausbootung von Nuri Sahin für das Pokalfinale am Samstag wies klar darauf hin.

Menschlich passte es nicht

Es ist jedenfalls die Scheidung einer Ehe, die das Potenzial zur Traumbeziehung gehabt hätte. Tuchel verlässt den BVB als Pokalsieger, er führte die Mannschaft direkt in die Champions League, sein Punkteschnitt (2,12 inklusive DFB-Pokal/Europapokal) ist der beste der Vereinsgeschichte. Er hat in zwei Jahren kein Liga-Heimspiel verloren. Sportliche Gründe für eine Trennung existieren nicht.

Doch: Es geht eben auch um das Menschliche. Der 43-Jährige hat sich - wie schon 2014 beim FSV Mainz 05 - zum zweiten Mal innerhalb des Vereins derart isoliert, dass die Trennung als einziger Ausweg blieb. Eine Fortsetzung wäre wohl ein Tanz am Rande des Vulkans gewesen.

Die Erklärung, Tuchel sei kein "Typ Jürgen Klopp", greift zu kurz. Das hätte jeder beim BVB wissen müssen. Der einst von Tuchel in Mainz aus der Profimannschaft verbannte Torhüter Heinz Müller sprach von "Mobbing hoch zehn" und schimpfte Tuchel einen "Diktator".

Das ist sicherlich übertrieben. Eher ist Tuchel ein versessener Detailfresser mit unverrückbaren Vorstellungen, der wohl wahrlich ein Quälgeist sein kann. Dem BVB wurde das zu viel. Präsident Reinhard Rauball und Sportdirektor Michael Zorc stellten sich demonstrativ an Watzkes Seite.

Reaktionen zum Tuchel-Aus beim BVB
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Tuchel dürfte dennoch keine Probleme haben, einen neuen Verein zu finden. Im Frühjahr war halb Europa verliebt in den jungen, stürmischen, phasenweise berauschenden BVB-Stil. Dies ist in England aufmerksam registriert worden. Aus der Bundesliga soll Bayer Leverkusen lebhaft Interesse zeigen.

Für den BVB stellt sich die Frage, ob Lucien Favre (59) der richtige Nachfolger ist. Der Schweizer war bisher überall erfolgreich, das spricht eindeutig für ihn. Er gilt aber auch als eigenbrötlerisch.

(areh/sid)
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