Alexander Golts "Waffenlieferungen an Kiew würden Konflikt zuspitzen"

Moskau Wie stellt sich der Konflikt in der Ukraine aus Sicht eines russischen Militärexperten dar? Alexander Golts, stellvertretender Chefredakteur des Internet-Portals "Jeschedwenij Journal" ("Tägliches Magazin"), ist einer der bekanntesten unabhängigen Fachleute auf diesem Gebiet in Russland.

"Waffenlieferungen an Kiew würden Konflikt zuspitzen"
Foto: dpa, mr jak

Moskau Wie stellt sich der Konflikt in der Ukraine aus Sicht eines russischen Militärexperten dar? Alexander Golts, stellvertretender Chefredakteur des Internet-Portals "Jeschedwenij Journal" ("Tägliches Magazin"), ist einer der bekanntesten unabhängigen Fachleute auf diesem Gebiet in Russland.

Welche Waffen benutzen beide Seiten?

Golts Waffen aus Sowjet-Produktion. Darin liegt die Besonderheit des Konflikts: Beide Seiten kämpfen mit den gleichen Waffensystemen.

Hat die Ukraine in den letzten Jahren neue Waffen in Russland gekauft?

Golts Nein, denn bis zum jetzigen Konflikt waren die Rüstungsproduktionen der Ukraine und Russlands eng verwoben. Alle Waffen wurden in enger Kooperation zwischen den Rüstungsunternehmen beider Länder hergestellt. Wichtige Teile des ukrainischen Panzers "Oplot" etwa wurden bis zuletzt in Charkow und Russland angefertigt.

Benutzen Ukrainer oder Russen westliche Waffen?

Golts Die Separatisten behaupten zwar, Ukrainer würden westliche Waffen einsetzen, aber es sieht eher nicht danach aus.

Reiben sich Rüstungsfirmen in Europa und den USA schon die Hände?

Golts Die Ukraine kann sich westliche Waffen nicht leisten. Es geht eher um unentgeltliche militärische Hilfe, und das ist dann schon eine andere Sache. Im Moment sind Lieferungen aber nur Gerüchte. Das Weiße Haus äußerte sich in der vergangenen Woche noch sehr vorsichtig.

Welche Folgen hätten solche Waffenlieferungen?

Golts Ernste. Das wird eine neue Konfrontation zwischen den USA und Russland einleiten. Im gesamten Kalten Krieg gab es dergleichen nicht: In Europa wird Krieg geführt, während die Russen die eine und die USA die andere Seite unterstützen. Die Folgen einer solchen Auseinandersetzung vorherzusagen, ist unmöglich. Wenn die Waffenlieferungen mehr als nur symbolisch sein sollen, müssen die USA auch Militärberater entsenden. Das würde den amerikanischen Präsidenten Barack Obama, der verantwortlich ist für seine Soldaten, noch zusätzlich in die Pflicht nehmen.

Halten Sie Lieferungen für wahrscheinlich?

Golts Präsident Obama steht unter starkem Druck des Kongresses, der ihm vorhält, Russland gegenüber viel zu weich aufzutreten. Er muss handeln, vor allem, wenn sich die Lage in der Ost-Ukraine noch zuspitzt.

Gibt es eindeutige Beweise für die Versorgung der prorussischen Separatisten mit Waffen?

Golts Für mich ist es ein Rätsel, dass es immer noch keine Satellitenaufnahmen gibt. Dafür könnte es zwei Gründe geben: Entweder überschätzen wir unter dem Eindruck Hollywoods die Möglichkeiten der amerikanischen Aufklärungssatelliten. Oder es fehlt am politischen Willen, weil die Veröffentlichung gefährlich wäre: Wird eine Atommacht überführt, internationales Recht gebrochen zu haben, welche Handlungsfreiheit bleibt da noch? Den Krieg zu erklären?

Vermeidet Moskau deswegen noch die offene Intervention?

Golts Sie ließe sich nicht verbergen und würde neue Sanktionen nach sich ziehen. Außerdem würde sie Opfer mit sich bringen, die sich vor der Bevölkerung nicht verheimlichen ließen. Deswegen hat Russland Mariupol nicht mehr angegriffen. Bedenken Sie auch den harten russischen Winter.

KLAUS-HELGE DONATH FÜHRTE DAS INTERVIEW.

(RP)
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