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Istanbul Türkei vermutet Anhänger Assads hinter Anschlägen

Istanbul · Die Autobomben im türkischen Reyhanli rissen 46 Menschen in den Tod. Das syrische Regime bestreitet jegliche Verwicklung in das Massaker.

Nach dem wohl schwersten Bombenanschlag in der Geschichte der Türkei nahe der syrischen Grenze droht eine Ausweitung des Syrien-Konflikts. Türkische Regierungspolitiker sehen Verbindungen zwischen den Attentätern und dem Regime des syrischen Diktators Baschar al Assad. Bei der Explosion zweier Autobomben in der Grenzstadt Reyhanli waren mindestens 46 Menschen getötet worden, etwa 140 wurden verletzt.

Bei der Beerdigung der ersten Toten wurden ethnische Spannungen in der Region deutlich. Verwandte von Opfern schimpften über die syrischen Flüchtlinge; einige Syrer sollen sich angesichts der Anfeindungen entschlossen haben, in ihr vom Bürgerkrieg geschundenes Heimatland zurückzukehren.

Die Attentäter, die innerhalb von fünf Minuten zwei Autobomben vor dem Postamt und dem Rathaus zündeten, hatten nach Ansicht des türkischen Innenministers Muammer Güler das Ziel, die "Region aufzumischen". Reyhanli gilt als eine logistische Basis für die syrischen Rebellen.

Die Polizei nahm neun Verdächtige fest, allesamt türkische Staatsbürger. Sie sollen Verbindungen zum syrischen Geheimdienst gehabt und nach Regierungsangaben Teilgeständnisse abgelegt haben. Die regierungsnahe Zeitung "Yeni Safak" nannte Mihrac Ural als Hauptverdächtigen. Er gehört wie Assad zur islamischen Religionsgemeinschaft der Alawiten und soll zur Ermordung von Sunniten aufgerufen haben. Die Spuren jener, die vor einer Woche mehr als 100 sunnitische Zivilisten im syrischen Banias ermordet hätten, fänden sich auch beim Blutbad von Reyhanli, sagte Außenminister Ahmet Davutoglu.

Die türkische Regierung ist besorgt über die Lage in der Grenzprovinz Hatay, in der Reyhanli liegt. Sie ist ein Zentrum türkischer Alawiten, die sich ihrem Glaubensbruder Assad verbunden fühlen. Seit Monaten gibt es in Hatay immer wieder Proteste gegen die – meist sunnitischen – syrischen Flüchtlinge in den Auffanglagern und hin und wieder sogar Unterstützungskundgebungen für Assad. Diese Gegensätze wolle die syrische Regierung weiter verschärfen, vermutet Ankara.

Die Regierung in Damaskus wies jede Verantwortung für den Anschlag weit von sich, fügte aber hinzu, im Grunde sei die Türkei selber schuld. Schließlich habe die Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan mit ihrer Hilfe für die syrische Opposition im Gebiet entlang der 900 Kilometer langen Grenze zwischen beiden Ländern eine "Konzentration internationaler Terroristen" entstehen lassen.

Unterdessen widmeten sich Erdogan und seine Berater der Frage, wie die Türkei auf die Anschläge von Reyhanli reagieren soll. Außenminister Davutoglu erklärte während seines Berlin-Besuchs, die Türkei habe das Recht auf "Maßnahmen jeder Art". Er sehe jedoch keine Notwendigkeit für ein Krisentreffen der Nato – wie etwa nach dem Artilleriebeschuss vom Oktober 2012. Sein deutscher Amtskollege Guido Westerwelle verurteilte den "barbarischen Akt" von Reyhanli.

Einige Beobachter rechnen mit einer militärischen Antwort der Türken – dies sei nicht zuletzt deshalb geboten, weil sonst das Ansehen des Landes in der Region leiden würde, kommentierte etwa der in London ansässige Politologe Ziya Meral auf Twitter.

Andere Fachleute wie der Nahost-Experte Mehmet Sahin von der Gazi-Universität in Ankara vermuten jedoch: "Wenn die Türkei etwas in Syrien unternimmt, dann nur mit der internationalen Gemeinschaft zusammen." Deshalb richten sich die Blicke jetzt auf ein Gespräch Erdogans mit US-Präsident Barack Obama am Donnerstag in Washington. Vor den Explosionen von Reyhanli hatte Erdogan angekündigt, Obama Beweise für einen Giftgas-Einsatz durch Assad vorzulegen und eine Flugverbotszone über Syrien zu fordern. Das wird Erdogan nun mit neuem Nachdruck tun.

(RP)
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