Berlin Streit um Papst-Besuch wird schärfer

Berlin · CDU-Politikerin Julia Klöckner unterstreicht die Bedeutung des Deutschlandbesuches mit den Worten: "Wir sind Papst – immer noch." Gleichzeitig macht ein Bündnis gegen Benedikt XVI. mobil und zählt die SPD die Abgeordneten, die zur Papstrede den Plenarsaal verlassen wollen.

Mit dem Herannahen des Papstbesuches in Deutschland wächst die Kluft zwischen Anhängern und Gegnern des Kirchenoberhauptes. Vor allem die Kritik an den Protesten gegen die Reise von Benedikt XVI., seine Messen und seine Rede vor dem Bundestag nimmt zu. "Wir sind Papst – immer noch", betont die rheinland-pfälzische CDU-Vorsitzende Julia Klöckner im Gespräch mit unserer Zeitung.

Der Besuch von Papst Benedikt wird nach Einschätzung der Mainzer Oppositionsführerin "vielen Menschen Freude bereiten". Denn der Heilige Vater habe sowohl weltweit als auch in seiner Heimat Deutschland etwas zu sagen. An die Adresse der Demonstranten fügt Klöckner hinzu: "Mir ist entgangen, dass die Kritiker des Papstbesuches eine solche Antihaltung beim Besuch des Dalai Lama oder eines anderen Religionsoberhauptes an den Tag gelegt hätten."

"Es ist schon erstaunlich, wie viel Intoleranzpotenzial in manchem Toleranzapostel schlummert", meint Martin Lohmann, Sprecher des Arbeitskreises engagierter Katholiken in der CDU, gegenüber unserer Zeitung. "Wer bei der Rede des Papstes im Bundestag wegbleibt, also vor Benedikt XVI. flieht, verrät letztlich eine unglaubliche Angst vor Wahrheit und Klarheit", vermerkt der katholische Publizist. "Souverän ist eine solche Schwäche, die da von Volksvertretern des Souveräns gezeigt werden soll, nicht", betont Lohmann. Wer gegen den Staatsbesuch des Papstes protestiere, fürchte sich offenbar vor dieser Botschaft, die Deutschland jedoch dringend brauche. Lohmann ist überzeugt: "Der Besuch von Benedikt wird ein Segen sein – letztlich für alle."

Völlig anders sehen das die Organisatoren einer Demonstration, die zeitgleich zu Benedikts Auftritt im Bundestag starten soll. Aufgrund von Rückmeldungen geht das Bündnis aus einigen Dutzend Parteien und Verbänden rund um die schwul-lesbische Szene von mehreren Zehntausend Teilnehmern aus. Scharf protestieren prominente Fürsprecher wie Grünen-Geschäftsführer Volker Beck gegen polizeiliche Auflagen, wonach der Protestzug vom Brandenburger Tor zum Potsdamer Platz verlegt werden soll – und damit außer Hörweite des Papstes.

Zum Bündnis gegen den Papstbesuch haben sich unter anderem der Schwulen- und Lesbenverband, Pro Familia, die Linken, die Jusos, die Grüne Jugend und Gruppierungen innerhalb von DGB und Verdi zusammengeschlossen. Zu den prominenten Unterstützern gehören die Kabarettistin Gabi Decker, der Regisseur Rosa von Praunheim und die Professorin Uta Ranke-Heinemann, die auf verschiedenen Anti-Papst-Demonstrationen auch als Rednerin vorgesehen ist. Die Demonstranten werden angehalten, mit einer selbst gebastelten Papstmütze zu kommen, auf denen auf einer Karikatur nackte Männer und Frauen mit Flügeln in den Regenbogenfarben der Schwulenbewegung um den Papst flattern.

Mit scharfer, teilweiser obszöner Kritik spart das Bündnis nicht. So beschimpft die Bestsellerautorin Nina Queer den Heiligen Vater mit den Worten: "So wie sich der Papst anzieht, ist er doch die Königin aller Tunten."

Ex-Staatsminister Rolf Schwanitz (SPD) bezeichnete es gestern in einer öffentlichen Erklärung als "falsch" und "unangemessen", dass der Plenarsaal des Bundestages für die Rede des Papstes "missbraucht" werde. Die Auffassung des Papstes zu Frauenrechten, sexueller Orientierung der Menschen und Empfängnisverhütung seien "ebenso dogmatisch wie reaktionär". Deshalb lehne er die Rede ab und werde nicht daran teilnehmen. Schwanitz ist auch Sprecher der Gruppe "Laizisten in der SPD", die die strikte Trennung von Staat und Kirche fordert.

Die Erwartung von Schwanitz, wonach etwa jeder dritte SPD-Abgeordnete demonstrativ den Saal verlassen werde, wenn der Papst kommt, scheint sich nicht zu bestätigen. Das Büro von Parlamentsgeschäftsführer Christian Lange stellt derzeit Listen zum Papst-Protest zusammen. Nach dem Rücklauf von drei Vierteln aller SPD-Abgeordneten steht fest: "Es kommen mehr als nur zwei Drittel." Ob die SPD die zu erwartenden freien Plätze mit ehemaligen Abgeordneten auffüllt, soll nächste Woche besprochen werden.

Auch bei der Linken wird es sich erst am Dienstag vor dem Papstbesuch zeigen, wie viele Bänke leer bleiben. Die Fraktion wolle "keinen großen Akt daraus machen", berichtet Sprecher Hendrik Thalheim. Es werde "sicherlich eine ganze Menge" von Abgeordneten geben, die Probleme mit dem Papst hätten und ihre Meinung zum Papstbesuch während der gleichzeitigen Demonstrationen kundtun würden, statt der Rede zu folgen. Und zwar "völlig strömungsunabhängig".

(RP)
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