Berlin SPD kürt Steinbrück und vertagt Rentenstreit

Berlin · Der SPD-Vorstand hat gestern Ex-Finanzminister Peer Steinbrück einstimmig zum Kanzlerkandidaten für die Bundestagswahl nominiert. "Ich nehme das gerne an", sagte Steinbrück. "Das ist viel Rückenwind, Unterstützung und auch viel Erwartung." Der 65-jährige Bundestagsabgeordnete aus Mettmann kündigte eine ungewöhnliche und "lustige" Kampagne an. Humor und Witz dürften nicht zu kurz kommen. Er wolle keine "ritualisierte Veranstaltung".

Wichtigster Grund für seine Kandidatur sei, dass die schwarz-gelbe Koalition "schlechtes Regierungshandwerk" zeige, so Steinbrück. SPD-Chef Sigmar Gabriel nannte die Regulierung der Finanzmärkte und soziale Balance als wichtigste Themen. Die Partei und Steinbrück hätten "den gleichen Herzschlag".

Gabriel und Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier hatten auf eine Kandidatur verzichtet. Offiziell wollte Gabriel den Kandidaten frühestens im November bekanntgeben, doch eine Indiskretion Steinmeiers hatte die Verabredung ans Licht gebracht. Das Verhältnis zwischen Gabriel und Steinmeier gilt seither als angespannt. Offiziell soll Peer Steinbrück am 9. Dezember auf einem Sonderparteitag in Hannover zum Merkel-Herausforderer gewählt werden. Der linke Parteiflügel vermied gestern Kritik an Steinbrück. "Es gibt nur noch einen Kandidaten. Damit hat sich die Sache erledigt", sagte Vorstandsmitglied Hilde Mattheis. Das Verfahren sei aber befremdlich gewesen.

Heftige Kritik kam dagegen von Oskar Lafontaine. Steinbrück sei "der Schlimmste der Agenda-Politiker", weil er überzeugt sei, "dass man Sozialabbau betreiben muss, um Wettbewerbsfähigkeit herzustellen", sagte der ehemalige SPD-Chef und heutige Fraktionsvorsitzende der Linken im Saarland.

Für Diskussionen sorgten Nebentätigkeiten Steinbrücks als Bundestagsabgeordneter. Durch Vorträge und Reden hatte er nach Angaben des Bundestags mindestens 500 000 Euro in drei Jahren eingenommen. Er habe alles steuerlich erfasst und dem Bundestag angezeigt, so Steinbrück. Dazu gehörte auch ein Interview, das Steinbrück dem Baukonzern Bilfinger Berger gegeben hatte und für das er mindestens 7000 Euro bekommen haben soll.

Steinbrück kündigte an, alle Nebentätigkeiten sowie den Aufsichtsratsposten bei ThyssenKrupp aufzugeben. Im Kontrollgremium des Fußballvereins Borussia Dortmund will er aber bleiben — er sehe keine Interessenkonflikte mit seinem neuen Amt.

Im Renten-Streit in der SPD gab es keine Entscheidung. In zwei Arbeitsgruppen soll nach Wegen gesucht werden, wie eine Absenkung des Niveaus bei der Alterssicherung auf 43 Prozent bis 2030 verhindert werden kann. Steinbrück lehnt Korrekturen ab.

(brö)
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