Brüssel Nuklearabkommen ohne großen Effekt

Brüssel · Belgien weist Bedenken an der Sicherheit seiner Atommeiler in der Grenzregion zurück. In der Region gibt es Kritik.

Selbst Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) hat das Abkommen kritisiert. Obwohl sie es gestern in Brüssel unterschrieben hatte. "Ich kann jetzt damit nicht die Stilllegung von Tihange und Doel durchsetzen", sagte sie mit Blick auf die beiden heftig kritisierten belgischen Atommeiler. Mehr noch: "Das Abkommen kann Probleme nicht beseitigen."

21 Monate lang waren die beiden Reaktoren Tihange 3 in der Grenzregion zu Aachen sowie Doel 2 bis Ende 2015 vom Netz genommen worden. Die Vielzahl feiner Haarrisse in den Druckbehältern alarmierte die deutschen Nachbarn. Das Land NRW orderte bereits Millionen von Jod-Tabletten für den Katastrophenfall. Doch die belgische Seite besteht auf ihrer Entscheidungshoheit; die nationale Aufsicht über die Reaktoren weist Kritik an der Sicherheit der Meiler ebenso weit von sich wie auch der Betreiberkonzern Electrabel. Die Forderung nach Abschaltung der zwei umstrittenen Reaktoren unweit der deutschen Grenze wies auch Innenminister Jan Jambon zurück. "Im Moment bin ich 100 Prozent gewiss, dass unsere Atomanlagen sicher sind", sagte er.

Das gestern unterzeichnete Abkommen nennt Hendricks trotzdem "einen Erfolg", auch wenn es nur die Bildung einer Expertenkommission vorsieht und einen regelmäßigen Informationsaustausch. Aber immerhin, so betonten beide Seiten, gebe es nun eine "verlässliche Grundlage für eine offene und kritische Diskussion zwischen Deutschland und Belgien über zentrale Fragen der nuklearen Sicherheit". Anfang 2017 sollen sich die Fachleute der Länder zum ersten Mal treffen. Mindestens einmal pro Jahr soll es eine Sitzung geben. Gegenseitige Kontrollen von Kernkraftwerken sind geplant, aber nicht verpflichtend. Deutschland habe bereits eine solche "vertrauensbildende Maßnahme" unternommen. Vor einigen Wochen besuchten belgische Atomexperten den Meiler in Mülheim-Kärlich. Auf die Einladung zu einer Gegenvisite wartet die deutsche Seite allerdings bis heute.

In der Region stieß die Vereinbarung auf Kritik. "Ich bin tief enttäuscht. Damit wird eine deutsch-belgische Nuklearkommission geschaffen, die ein reiner Papiertiger ohne irgendwelche Kompetenzen ist", sagte der Aachener Städteregionsrat Helmut Etschenberg (CDU). "Das Abkommen ändert nichts daran, dass Belgien Atomkraftwerke unter Bedingungen betreibt, die unverantwortlich und in Deutschland nicht zulässig wären", kritisierte der Dürener Bundestagsabgeordnete Oliver Krischer (Grüne).

Hans-Josef Allelein, Professor für Reaktorsicherheit an der RWTH Aachen, sieht in dem Abkommen immerhin einen Schritt in die richtige Richtung. Es sei nur fraglich, ob die Maßnahmen tatsächlich auch ausreichten. Er bezweifelte zudem, dass bei einem kurzen Besuch deutscher Experten in den Atomkraftwerken überhaupt Mängel festgestellt werden können.

(RP)
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