Mehr Hering, weniger Scholle EU-Länder einig bei Fischfang in der Nordsee

Brüssel · Nach einer durchverhandelten Nacht haben sich die EU-Länder auf bestimmte Fangmengen geeinigt. Umweltschützer warnen seit Jahren vor Überfischung, vielen Beständen geht es schlecht. Vor allem ein Fischbestand bereitet Experten Sorgen.

 Ein Fischerboot hat im Fischereihafen Büsum in Schleswig-Holstein angelegt.

Ein Fischerboot hat im Fischereihafen Büsum in Schleswig-Holstein angelegt.

Foto: dpa/Axel Heimken

Deutsche Nordseefischer dürfen künftig weniger Schollen und Seelachs fangen. Im Vergleich zu vergangenem Jahr sinken die Mengen für Scholle um 10 Prozent auf 4539 Tonnen und für Seelachs um 25 Prozent auf 4307 Tonnen für 2022, wie das Bundesagrarministerium am Dienstag mitteilte. Dafür darf deutlich mehr Hering gefischt werden: Die erlaubte Gesamtmenge steigt auf 41.155 Tonnen, ein Plus von 22 Prozent. Hintergrund ist ein Beschluss vom Oktober, wonach der Hering in der westlichen Ostsee geschont werden muss.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) wertet das als positives Zeichen, denn dieser Osteseebestand wandert und vermischt sich nördlich von Dänemark mit seinen Artgenossen aus der Nordsee. Dort wurde die Fangmenge jetzt drastisch verringert und dafür in der Nordsee angehoben. „Jetzt scheint sich das Blatt zu wenden, vor allem durch Druck aus Deutschland“, teilte die Organisation mit. Auch der neue Bundesagrarminister Cem Özdemir zeigte sich zufrieden und sprach von einem ausgewogenen Kompromiss. Er hätte sich mit Blick auf Kabeljau in der Nordsee „ein etwas ambitionierteres Vorgehen“ gewünscht, sagte der Grünen-Politiker.

Umweltschützer sehen diesen Bestand ebenfalls besonders kritisch. „Alle Zeichen stehen auf Zusammenbruch“, kritisierte der WWF. Es werde immer noch mehr gefischt, als von Wissenschaftlern empfohlen. Laut Agrarministerium sank die erlaubte Nordsee-Fangmenge für die EU-Staaten um zwei Prozent.

Hintergrund der Gespräche ist, dass eine Balance gefunden werden muss, wie viele Tiere jedes Jahr gefangen werden können, ohne die Bestände zu gefährden. Die Verhandlungen über die Fangquoten sind traditionell schwierig. Neben der Nordsee ging es auch um Teile des Atlantiks, das Mittelmeer und das Schwarze Meer. Das Treffen der EU-Ministerinnen und -Minister, die die Fangmöglichkeiten verhandeln, hatte bereits am Sonntag offiziell begonnen. In der Nacht zum Dienstag wurde durchverhandelt.

Die EU-Staaten legen jedes Jahr die zulässigen Gesamtfangmengen für bestimmte Gewässer fest. Auf dieser Basis entfallen auf die einzelnen Länder durch festgeschriebene Verteilungsschlüssel die jeweiligen nationalen Fangmengen. Grundlage der Verhandlungen ist eine Vorlage der EU-Kommission, die in erster Linie auf wissenschaftlichen Empfehlungen beruht. Viele Fischbestände befinden sich in eher schlechtem Zustand.

Nahezu unverändert bleiben die Fangmengen für deutsche Fischer mit Blick auf Schellfisch, arktischen Kabeljau und Schwarzen Heilbutt bei Grönland im kommenden Jahr. Knapp 10 Prozent weniger Makrelen dürfen hingegen im Nordostatlantik gefangen werden. Der WWF fordert seit längerem, dass besser überwacht wird, ob Fischer Fänge illegal ins Meer zurückwerfen, was laut Umweltorganisationen teils gängige Praxis ist. Auch der BUND fordert, dass alle Fischereiaktivitäten und Fangmethoden einer Umweltprüfung unterzogen werden müssen.

Eine Einigung zu Fangmengen für gemeinsam von Großbritannien und der EU genutzten Beständen steht noch aus. Die zusätzlichen Gespräche sind seit dem Brexit nötig. Die slowenische Ratspräsidentschaft äußerte sich optimistisch, Anfang kommender Woche eine Einigung zu erzielen. EU-Kommissar Virginijus Sinkevicius zeigte sich zufrieden, dass die meisten Bestände anhand der wissenschaftlichen Empfehlungen gefischt werden.

Auch Rupert Howes, Chef der Organisation MSC, die ein Siegel für nachhaltige Fischerei herausgibt, betont, wie wichtig ein anständiges Management der Bestände ist und kritisiert, dass mehrere Fischbestände stärker als von Forschern empfohlen gefischt werden. Es gebe aber Besserung: „Im Jahr 2005 wurden nur 25 Prozent der europäischen Bestände nachhaltig befischt, heute sind es fast 60 Prozent.“

(mcv/dpa)
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