Berlin EHEC: Kritik an Lebensmittel-Tests

Berlin · Nach dem Krisengipfel hat die Bundesregierung ihre Verzehrempfehlung erneuert, auf rohe Tomaten, Gurken und Sprossen sowie auf Blattsalate zu verzichten. EU-Kommissar John Dalli befürwortete die Warnung. Doch die Regierung wird in der EU und von der Opposition weiter attackiert.

Der spanische Europaminister ist gestern Abend in Berlin eingetroffen und hat den Protest der Spanier gegen das EHEC-Krisenmanagement der Deutschen mitgebracht. Diego Lopez Garrido traf sich mit dem Staatsminister im Auswärtigen Amt, Werner Hoyer. Die Spanier fordern hohe Entschädigungen von den Deutschen für ihre Ausfälle beim Gemüsehandel. Der Vorwurf: Die deutsche Warnung vor spanischen Gurken sei voreilig gewesen.

Nach einem Krisengipfel in Berlin erneuerte die Regierung allerdings ihre grundsätzliche Verzehrempfehlung, rohe Tomaten, Gurken und Sprossen sowie Blattsalate von der Speisekarte zu streichen. Der für Gesundheit zuständige EU-Kommissar John Dalli, der an dem Gipfel mit Bund- und Länderministern teilnahm, zeigte Verständnis. Die europäische Kritik am deutschen Zuständigkeitswirrwarr wiederholte er nicht.

Dafür formulierte die Opposition diese umso nachdrücklicher. "Dieses Treffen hat kein neues Ergebnis gebracht, keine Erklärung, keine Konsequenzen", sagte die Vorsitzende des Gesundheitsausschusses im Bundestag, Carola Reimann (SPD), unserer Zeitung. Sie sieht die Länder als Schwachstelle im Krisenmanagement. "Über das Bakterium wissen wir alles. Da hat die Wissenschaft hervorragende Arbeit geleistet. Aber wir können keine Schlussfolgerungen ziehen, weil es bei den Lebensmittelkontrollen hapert. Ich habe Zweifel, dass wirklich seit Bekanntwerden des EHEC-Ausbruchs konsequent beprobt wurde."

Zurzeit sind in Deutschland fünf Teams mit insgesamt 60 Mitarbeitern unterwegs, die EHEC-Patienten nach ihren Essgewohnheiten befragen. Dies geht aus einem internen Vermerk des Verbraucherschutz-Ausschusses hervor, der unserer Zeitung vorliegt. Auf Grundlage der Befragungen werden dann gezielt Lebensmittel geprüft. Nach einem Bericht der Bundesregierung nahmen die Kontrolleure etliche Lebensmittel ins Visier. Dazu gehören Erdbeeren, Paprika, Spargel, Käse und Wurst.

Die Wirtschaft kontrollierte ihre Ware teilweise selbst. Sie testete zusätzlich Kohlrabi, Radieschen und Rucola. Bundesweit wurden rund 5000 Proben genommen. Positiv waren bislang nur ein Gurkenrest in einer Abfalltonne in Sachsen-Anhalt, der den aggressiven Erreger aufwies, und zwei aus Spanien importierte Gurken, die allerdings einen anderen EHEC-Erreger trugen.

Kritik am deutschen Krisenmanagement kam auch aus dem Europa-Parlament: "Insgesamt braucht die Bundesregierung mehr Koordination", sagte Reinhard Bütikofer, EU-Parlamentarier der Grünen, unserer Zeitung. Deutschland habe im Kampf gegen EHEC keine "glänzende Rolle" gespielt.

Telefon-Hotline Das Landesumweltamt bietet Informationen zu EHEC an. An Werktagen von 9 bis 17 Uhr sind Experten unter 02361 305-3055 oder 02361 305-3056 zu erreichen.

(RP)
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