Rechtliche Bedenken Weiteres kritisches Gutachten zu Bundeswehreinsatz in Syrien

Berlin · Seit einer Woche wird heftig über ein mögliches Eingreifen der Bundeswehr in den Syrien-Krieg diskutiert. Eine politische Mehrheit scheint es dafür nicht zu geben. Und auch die rechtlichen Bedenken mehren sich.

 Reichstag in Berlin (Symbolbild).

Reichstag in Berlin (Symbolbild).

Foto: dpa / Rainer Jensen

Ein weiteres Rechtsgutachten zu einer möglichen Beteiligung der Bundeswehr an einem militärischen Vergeltungsschlag in Syrien stärkt die Position der Gegner. Der wissenschaftliche Dienst des Bundestags sieht keinen Grund dafür, den Bundestag erst nachträglich über einen solchen Einsatz abstimmen zu lassen. Er listet in einer vierseitigen Expertise eine ganze Reihe von Argumenten auf, die gegen ein solches Vorgehen sprechen. Das Parlamentsbeteiligungsgesetz sieht eine nachträgliche Mandatierung nur bei „Gefahr im Verzug“ vor, also beispielsweise bei Rettungsaktionen für deutsche Staatsbürger im Ausland oder bei geheimen Einsätzen von Spezialkräften.

Diesen „Notfallcharakter“ sehen die Bundestags-Wissenschaftler für den Fall eines möglichen Vergeltungsschlags in Syrien nicht. Sie führen dafür mehrere Gründe auf:

  • Es liege bereits eine Anfrage der US-Regierung für eine deutsche Beteiligung vor.
  • Über einen möglichen Bundeswehreinsatz werde seit Tagen kontrovers diskutiert.
  • Der Vergeltungsschlag der USA, Großbritanniens und Frankreichs nach einem Giftgaseinsatz im April könne als mögliches Einsatzszenario zugrunde gelegt werden.

Hintergrund für das von dem Linken-Abgeordneten Alexander Neu in Auftrag gegebene Gutachten ist, dass bei einem Giftgaseinsatz die US-Entscheidung für einen Vergeltungsschlag wahrscheinlich sehr schnell fallen wird. In den beiden Präzedenzfällen im April 2017 und im April 2018 dauerte es nur drei beziehungsweise sieben Tage. Der Bundestag benötigt für seine Beratungen über einen Bundeswehreinsatz in der Regel mehrere Wochen. In Ausnahmefällen kann es aber auch schneller gehen.

Seit Montag ist bekannt, dass im Bundesverteidigungsministerium auf Drängen der USA geprüft wird, wie sich die Bundeswehr an einem Vergeltungsschlag in Syrien beteiligen könnte. Die Amerikaner rechnen damit, dass die syrischen Regierungstruppen von Baschar al-Assad bei einer Großoffensive gegen die letzte Rebellenhochburg Idlib erneut Giftgas einsetzen werden. Sie haben bereits angekündigt, dass es in diesem Fall einen noch härteren militärischen Vergeltungsschlag geben werde als im April. Damals wurde Deutschland nicht um Unterstützung gebeten. Welche Hilfe sich die USA jetzt genau wünschen, ist noch unklar. Der Syrien-Sondergesandte der USA, James Jeffrey, hatte am vergangenen Donnerstag nach Gesprächen mit der Bundesregierung den Wunsch der USA nach militärischer Unterstützung Deutschlands jedenfalls auch öffentlich geäußert.

In einem am Dienstag veröffentlichten Gutachten hatte der wissenschaftliche Dienst eine deutsche Beteiligung bereits als verfassungs- und völkerrechtswidrig eingestuft. Wegen dieser rechtlichen Bedenken hält der wissenschaftliche Dienst eine vorherige Entscheidung des Bundestags erst recht für notwendig.

„Das ParlBG (Parlamentsbeteiligungsgesetz) intendiert nachgerade einen "Rechtsdialog" zwischen Parlament und Regierung, der nicht zuletzt im Hinblick auf rechtlich umstrittene militärische Einsatzkonstellationen besonders relevant erscheint“, heißt es in dem vierseitigen Gutachten, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. „Der Rückgriff auf die exekutive Eilkompetenz (...) würde es der Regierung indes verfahrensrechtlich erlauben, einen Auslandseinsatz der Bundeswehr durchzuführen, ohne (...) die rechtlichen Grundlagen für diesen Einsatz vorab im Einzelnen schriftlich darzulegen.“

Die Bundesregierung hat noch keine rechtliche Einschätzung abgegeben. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will sich die Option einer deutschen Beteiligung offen halten. Dagegen hat SPD-Chefin Andrea Nahles ihr ebenso wie AfD und Linke eine klare Absage erteilt. Die FDP steht eher auf der Seite der Union, die Grünen sind unentschieden. Der Linken-Abgeordnete Neu sagte, das Gutachten bestätige Bedenken seiner Fraktion. „Die Vorabankündigung einer möglichen Einsatzbeteiligung mit einer Eilbedürftigkeit zu begründen, stellt einen Widerspruch in sich dar“, sagte er.

(wer/dpa)
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