Autos in Innenstädten Neue Verkehrskonzepte statt nur absurder Parkgebühren

Meinung | Düsseldorf · Hunderte Parkplätze abschaffen und Parkgebühren drastisch steigern: So sollen Autos systematisch aus Innenstädten herausgedrängt werden. Es gibt aber noch andere Maßnahmen für weniger Innenstadtverkehr – die sogar gerechter sind.

 In Monheim am Rhein befördern autonome Kleinbusse seit 2020 Personen sogar durch enge, innenstädtische Bereiche.

In Monheim am Rhein befördern autonome Kleinbusse seit 2020 Personen sogar durch enge, innenstädtische Bereiche.

Foto: Stdt Monheim/Stadt Monheim

Dieses Jahr könnte für viele private Autonutzer in Innenstädten zur Zäsur werden. Dass die Gebühren fürs Parken am Straßenrand deutlich teurer werden (etwa in Düsseldorf von 2,90 Euro auf 4,50 Euro pro Stunde) ist da noch das kleinere Übel. Ein Ausweis fürs Anwohnerparken soll künftig in vielen Kommunen ein Vielfaches kosten. Neuss hat schon im vergangenen Sommer die Kosten von 30 Euro im Jahr auf 120 Euro erhöht. In Düsseldorf und Köln werden größere Kostensprünge noch diskutiert. Automatisch sollen so für die Kommunen Mittel für den Fortschritt der Verkehrswende freigesetzt werden. Ob man so wirklich eine große Zahl von Autos aus den Städten fernhält und nicht vor allem sozialen Unfrieden stiftet, ist mehr als fraglich.

Um eine Idee davon zu bekommen, wie sehr Autos in Innenstädten in Zukunft möglichst an den Rand gedrängt werden sollen, hilft wieder mal ein Blick ins Nachbarland Niederlande. Jedes Jahr werden in den großen Städten wie Amsterdam oder Utrecht Hunderte Parkplätze abgeschafft, die Altstädte sind bereits flächendeckend verkehrsberuhigt. Fahrradfahrern wird durch gesicherte Fahrstreifen und Parkhäuser viel Platz eingeräumt. Autofahrern wird durch hohe Parkgebühren in den Citys (bis zu 7,50 Euro pro Stunde in Amsterdam) die Laune an der Herfahrt zunehmend vermiest. Natürlich passiert dies längst auch hierzulande. Doch während man in Deutschland in der Umsetzungsphase feststeckt, ist man in den Niederlanden vielerorts längst am Ziel einer weitgehend autofreien City.

Zu sagen, in einer autoaffinen Nation wie Deutschland seien immer radikalere Maßnahmen gegen das Auto politisch nicht umsetzbar, geht aber nicht weit genug. Auch die Niederlande waren lange fest in der Hand der Autofahrer, der Kampf um autofreiere Städte ging erst ab den 1970er-Jahren los. Und auch heutzutage bestimmen Hunderttausende von Autos in den niederländischen Metropolen außerhalb der Innenstädte immer noch das Straßenbild, das lässt sich nicht leugnen. Wer den Blick jedoch in die Geschäftszonen wirft, sieht breite Fahrradstraßen ohne Hindernisse, keine Autos, mit denen man sich Flächen teilen müsste.

Amsterdam und Kopenhagen als Vorbilder: Außer in wenigen Leuchtturm-Städten wie Münster oder Bremen ist das in deutschen Metropolen noch keine gelebte Realität. Deutsche Innenstädte zu Flaniermeilen für Fußgänger und Radfahrer zu machen, ist vielerorts möglich, erfordert aber Sinn und Verstand.

Zuerst mal ist es notwendig, die schiere Zahl der Autos zu minimieren, und da ist jeder Nutzer selbst gefragt. In nahezu keiner Stadt und keinem deutschen Landkreis hat sich die Autodichte in den vergangenen fünf Jahren verringert. Auf 1000 Einwohner kamen 2022 rund 520 private Pkw. Gleichzeitig werden immer mehr Straßen verkehrsberuhigt, Parkstreifen am Rand begrünt oder zu gastronomischen Flächen umgewandelt: Das passt nicht zusammen. Dazu werden Parkgebühren und Anwohnerparken von Jahr für Jahr teurer. Das schreckt einige Autofahrer zwar ab, bringt aber noch zu wenige vom Auto weg.

Sicher ist es auch der falsche Weg, durch exorbitante Kostensteigerungen Autofahrer regelrecht zu diskriminieren. Auch geringer verdienende Bürger sollten die Freiheit haben, das Auto zu nutzen, wenn sie wirklich drauf angewiesen sind, oder zum Beispiel körper- oder altersbedingt nicht anders können. Ein Zwang zum Autoverzicht durch die Hintertür ist nicht der richtige Weg.

Jeder, der für weitere Strecken ein Auto braucht und auch keine Alternative sieht, soll es weiterhin nutzen dürfen. Es an jeder Straßenecke abstellen zu können, ist aber nicht mehr zeitgemäß. Park-and-Ride-Parkplätze und Parkhäuser am Innenstadtrand gibt es bereits und wird es künftig noch mehr geben. Außerdem ist es möglich, auf ein eigenes Gefährt zu verzichten, wenn man es nicht täglich braucht. Carsharing-Angebote müssten stark ausgebaut und erschwinglicher werden – und die Möglichkeit des sogenannten „Free Floatings“, also das Fahrzeug an einem anderen Ort abzugeben, als man es ausgeliehen hat, muss mehr Verbreitung finden.

Die Denkfabrik Agora Verkehrswende rechnet damit, dass ein Carsharing-Auto zwischen acht und 20 Privatautos ersetzen kann. Und doch müssen Carsharing-Unternehmer deutlich mehr für die Nutzung eines öffentlichen Parkplatzes zahlen, als ein Privatnutzer für einen Anwohnerparkausweis zahlen muss, weiß Agora. Und das obwohl das Carsharing-Fahrzeug statistisch gesehen mehr bewegt wird und somit seltener Flächen in Anspruch nimmt.

Der deutsche Carsharing-Anbieter „Miles Mobility“, der auf feste Stationen für seine Fahrzeuge verzichtet, schlägt vor, Anreize gegen den Privatauto-Kauf und für den Verkauf desselben zu setzen. Eine Maut für Autofahrer (mit Ausnahmen für gewisse Einkommensgruppen) oder ein verpflichtender Kauf eines Jahrestickets für den Nahverkehr für alle, die ein Auto erwerben, sind weitere Vorschläge, wie „Miles Mobility“ die Zahl der Privatfahrzeuge senken will. Wer für ein ÖPNV-Ticket bezahlt habe, sei motivierter, das Auto auch mal stehen zu lassen zugunsten der öffentlichen Verkehrsmittel, so die Vorstellung.

Es geht nicht darum, das Auto aus allen innenstädtischen Bereichen zu entfernen oder auch die letzten vorhandenen Parkplätze wegzunehmen. Aber um den Stadtkern für alle Generationen zu einer attraktiven Zone mit Aufenthaltswert zu gestalten, darf das Auto in erheblich weniger Bereiche vordringen als vorher. In Barcelona gibt es seit 2016 ganze Quartiere, in denen außer Lieferfahrzeugen kein Durchgangsverkehr passieren darf. Parken darf man nur außerhalb des Wohngebietes in Tiefgaragen und Parkhäusern, per Fahrrad oder E-Roller geht es ins Quartier rein. Seit 2021 gibt es im Brüsseler Kiez in Berlin ein vergleichbares Pilotprojekt. Andere Städte wie Hamburg, Stuttgart oder Wuppertal ziehen mit. Sie sollten als Vorbild dienen.

Dass die öffentlichen Verkehrsmittel ausgebaut werden müssen, um Pendler aus dem Umland besser in städtische Zentren zu bringen, ist längst politischer Konsens. Teure Einzelkarten und Monatstickets halten viele Nutzer vom Umstieg noch ab. Mit der Einführung des 49-Euro-Tickets als Anschlussprojekt an das sehr erfolgreiche Neun-Euro-Ticket ist eine Besserung noch nicht ausgemachte Sache, aber zumindest ein Schritt in die richtige Richtung.

Zwar ist der Arbeitskräftemangel im Verkehrswesen eklatant und sicher ein großes Hemmnis, um den öffentlichen Personennahverkehr weiter auszubauen. Dennoch gibt es zarte aber mutmachende Lösungen, die künftig mit aller Kraft vorangetrieben werden müssen. Seit 2008 macht die Stadt Nürnberg vor, wie fahrerlose U-Bahnen funktionieren können. In mehreren bayerischen Kleinstädten, aber auch in Monheim am Rhein transportieren kleine elektrische Bus-Shuttle Bürger zwischen den wichtigsten Punkten der Stadt – fahrerlos und völlig emissionsfrei.

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