Verkehr Staatliche Autobahnen sind billiger

Berlin/Düsseldorf · Verkehrsminister Dobrindt will private Geldgeber wie Fonds und Versicherer für den Autobahnbau gewinnen. Sie sollen auch bei der Erweiterung der A57 zwischen Köln und Moers helfen. Doch die Kritik an den Plänen wird lauter.

Verkehr: Staatliche Autobahnen sind billiger
Foto: dpa, rhi pzi

Verkehrsminister zu sein, ist nicht der schlechteste aller Regierungsjobs, denn er hat einen großen Vorteil: den Spatenstich. Wer als Verkehrsminister viele Spatenstiche auf Baustellen inszeniert, erhöht damit seine Chance auf Wiederwahl.

Auch Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) will trotz begrenzter eigener Mittel möglichst oft zum Spaten greifen, vor allem auf den Autobahnen. Um möglichst viele neue Bauabschnitte gleichzeitig und schnell auf die Spur zu setzen, will er vagabundierendes privates Anlagekapital von Versicherern oder Fonds mobilisieren - ungeachtet der wachsenden Kritik daran.

Was sind eigentlich ÖPP-Projekte?

Bei den sogenannten öffentlich-privaten Partnerschaften (ÖPP) schließen Bund, Land oder Kommune mit privaten Investoren einen Vertrag über Bau und Betrieb einer Straße, Brücke, eines Tunnels, Verwaltungsgebäudes, Wasserwerks oder einer Schule ab. Die Privaten strecken die Baukosten vor, der öffentliche Haushalt wird verschont. Im Gegenzug erhalten die Privaten über eine Vertragslaufzeit von in der Regel 30 Jahren eine Rendite, die sich aus einer Straßenmaut, der Pacht oder Miete speist. Läuft der Vertrag aus, fällt der Betrieb zurück an die öffentliche Hand - es sei denn, der Kontrakt wird verlängert. Vorgänger Peter Ramsauer (CSU) und auch Dobrindt selbst haben bereits mit der Autobahnfinanzierung durch Private begonnen - zuletzt etwa auf der A 7 nördlich von Hamburg nach Kiel.

Was sind Vorteile solcher Projekte?

Investitionsvorhaben lassen sich schneller verwirklichen, weil dem Staat in der Regel die Mittel für mehrere gleichzeitige große Investments fehlen. Private Investoren organisieren zudem ein Projekt oft aus einer Hand. Planung und Durchführung funktionieren dann reibungsloser. Plant der Staat dagegen eigenverantwortlich große Projekte, treten häufiger Probleme auf - siehe das Chaos beim Berliner Großflughafen. Zudem sind private Investoren im Betrieb und bei der Instandhaltung oft effektiver und wirtschaftlicher.

Welche Nachteile gibt es?

Viele ÖPP-Großprojekte sind im Nachhinein für die Bürger teurer, als wenn sie der Staat finanziert hätte. Dies ergab im Juni eine Überprüfung des Bundesrechnungshofs. Demnach hatten sich fünf von sieben ÖPP-Projekten langfristig als teurer erwiesen. Die Bürger seien mit 1,9 Milliarden Euro mehr belastet worden, monierte der Rechnungshof. Die Renditeerwartungen der privaten Investoren lägen häufig "über den Finanzierungskonditionen der öffentlichen Hand", die sich am Markt zu Niedrigzinsen refinanzieren könne, sagt auch der CDU-Haushaltspolitiker Norbert Barthle. Die beauftragten Unternehmen hätten zudem die "vertraglich vorgegebenen Qualitätswerte" oft "nicht durchgehend eingehalten", so der Rechnungshof.

Welche konkreten Pläne verfolgt Bundesverkehrsminister Dobrindt?

Nach der Kritik an den bisherigen ÖPP-Projekten setzt Dobrindt auf ein neues Konzept: Die Investoren sollen künftig nach Erfolg bezahlt werden. Ihre Rendite soll umso höher liegen, je schneller es ihnen gelingt, ein Bauprojekt fertigzustellen und je haltbarer sich der Straßenabschnitt erweist. Geplant ist, die Verträge über 30 Jahre abzuschließen. In dieser Zeit sollen die privat ausgebauten Autobahnen frei von Baustellen bleiben. Gelingt dies, erhalten die Investoren die höchstmögliche Rendite. Sollten zwischenzeitlich Ausbesserungen notwendig werden, gibt es Abschläge. Die Rendite zahlt der Staat aus der Lkw-Maut.

Was sagt die CDU zu den Plänen?

Während Finanzminister Wolfgang Schäuble wie auch die Haushaltspolitiker eher skeptisch sind, werden ÖPP vor Ort begrüßt. Der Bundestagsabgeordnete Ansgar Heveling (CDU) aus dem Wahlkreis Krefeld sagte zu Dobrindts Plänen: Neu sei, dass die "Qualität der Verfügbarkeit der Straße" ins Zentrum des Vergütungssystems rücken solle. "Das ist ein neuer Ansatz, den ich grundsätzlich begrüße. Je zügiger und je besser gebaut wird, umso mehr Vergütung fließt an die Investoren. Das kann helfen, Projekte schneller umzusetzen", sagte Heveling.

Was sagt der Koalitionspartner?

Auch die SPD ist skeptisch. Bei den Koalitionsverhandlungen musste sie sich aber dem Druck der Union beugen, die ÖPP als Instrument befürwortete. Im Koalitionsvertrag steht nun, Schwarz-Rot wolle ÖPP "als zusätzliche Beschaffungsvariante nutzen, wenn dadurch Kosten gespart und Projekte wirtschaftlicher umgesetzt werden können". Dies müsse aber "ebenso wie bei Betriebsvorgaben in jedem Einzelfall transparent und unabhängig nachgewiesen werden".

Entsprechend sagte SPD-Verkehrssprecherin Kirsten Lühmann gestern: "Öffentlich-private Partnerschaft ist definitiv eines nicht: Bauen ohne öffentliches Geld." Die Beteiligung Privater an Bau und Betrieb sei "nur dann sinnvoll, wenn es für den Steuerzahler günstiger wird. Das muss transparent und im Einzelfall nachgewiesen werden." Sie forderte eine "Transparenzoffensive": Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen und Verträge mit den privaten Partnern müssten "für alle im Internet einsehbar sein".

Wie reagiert die Opposition?

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter lehnt ÖPP im Straßenbau generell ab. "Dobrindt ist Minister für Geldverschwendung. Mit neuen öffentlich-privaten Partnerschaften will Dobrindt verdeckte Schulden aufnehmen. Seriös geht anders", sagte Hofreiter unserer Zeitung. "ÖPP im Straßenbau rechnen sich nicht, im Gegenteil." Dobrindt solle sich lieber "um ausreichend Haushaltsmittel für die Straßensanierung kümmern und nicht um ein paar Prestigeprojekte". Hofreiter: "Mit einer angemessenen Ausweitung der Lkw-Maut könnte er die Schlaglöcher füllen."

(mar, qua, sep)
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