Wahl des Bundespräsidenten Opposition schießt Giftpfeile gegen Wulff

Berlin (RPO). Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) soll nach dem Willen von Union und FDP der zehnte Bundespräsident werden. Am Donnerstagabend schlugen die Spitzen der Koalition öffentlich als Nachfolger von Horst Köhler vor. Schwarz-Gelb ist mit der Personalie zufrieden, doch aus der Opposition hagelt es Kritik.

Schlagzeilen zu Wulffs Präsidentschaftskandiatur
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Foto: ddp

So wertete SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier die Entscheidung für Wulff als Niederlage für Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die CDU-Chefin habe sich offenbar dem Druck aus der eigenen Partei beugen müssen. "Ich finde es einigermaßen unglaublich, dass die Regierungsparteien von unseren Angeboten und Signalen keinen Gebrauch gemacht haben, eine Person zu finden, die überparteilich auch die Chance gehabt hätte, die große Mehrheit der Bundesversammlung hinter sich zu bringen", kritisierte der Fraktionschef.

Auch SPD-Chef Sigmar Gabriel kritisierte Merkel. Sie habe nichts unternommen, um dem Eindruck von Parteitaktik entgegenzuwirken. Außerdem tue sie nichts dafür, um das Amt des Bundespräsidenten in der Mitte der Gesellschaft zu verankern. SPD und Grüne hätten am Dienstag und am Mittwoch Merkel vergeblich ein Gesprächsangebot gemacht, um einen "Kandidaten zu finden, der von einer breiten Mehrheit getragen wird". Dieser hätte auch aus der Koalition stammen können und keineswegs parteilos sein müssen. Es sei aber noch nicht einmal ein Gesprächsangebot zurückgekommen.

Wowereit: "Keine Konsenslösung"

SPD-Parteivize Olaf Scholz wertet die Nominierung ebenfalls als Zeichen der Führungsschwäche von Merkel. "Merkel hat offensichtlich auf Frau von der Leyen gesetzt und ist in der eigenen Partei auf harten Widerstand gestoßen. Sie hat sich nicht durchgesetzt", sagte er der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung".

Er bedauerte ebenfalls, dass die Kanzlerin auf das Angebot der Opposition nicht reagiert habe, sich auf einen gemeinsamen Kandidaten zu verständigen. "Dieser Schulterschluss über Parteigrenzen hinweg wäre klug und gut gewesen. Unsere Bedingung war, dass der Kandidat nicht aus der aktiven Politik kommt."

Die Entscheidung für Wulff sieht Scholz vor allem parteitaktisch motiviert. "Es wäre in der Krise und nach dem überraschenden Rückzug von Präsident Köhler richtig gewesen, einen Kandidaten zu suchen, der nicht aus der aktiven Politik stammt und sich ein breites öffentliches Ansehen erworben hat", sagte Scholz dem "Hamburger Abendblatt". "Das ist eine parteipolitische und keine Konsenslösung", kommentierte auch SPD-Vize und Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit.

Roth und Özdemir: Chance vertan

Die Grünen-Vorsitzenden Claudia Roth und Cem Özdemir hielten Merkel vor, ihre Kandidatenauswahl sei von machttaktischem und parteipolitischen Kalkül gekennzeichnet. Die Kanzlerin habe die Chance vertan, "auf die ernste Situation mit einer allseits respektierten Persönlichkeit an der Staatsspitze zu antworten, die auch über Lager- und Parteigrenzen hinaus strahlt und von der Bevölkerung breit akzeptiert wird".

Die Vorsitzenden der Linken, Klaus Ernst und Gesine Lötzsch, sprachen sich ebenfalls gegen eine Wahl Wulffs aus. Ernst erklärte, Wulff "wäre ein reiner Kandidat von Schwarz-Gelb und für uns nicht wählbar". Lötzsch sagte, der Niedersachse sei offenbar eine Verlegenheitslösung.

CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe empörte sich über die Opposition. Er nannte "die Pöbeleien" gegen Wulff inakzeptabel. Damit werde "der schlechte Stil und der mangelnde Respekt dem Amt gegenüber fortgesetzt", schrieb er in einem Brief an seine Partei.

Gratulationen konnte Wulff von seinem designierten Nachfolger, Niedersachsens CDU-Vorsitzendem und Landtagsfraktionschef David McAllister, entgegennehmen. "Wir gratulieren Christian Wulff von ganzem Herzen zu dieser Nominierung", sagte er. Wulff stehe für eine verlässliche und vertrauensvolle Politik und werde durch seine ausgeprägte Wirtschaftskompetenz ein stabilisierender Faktor für Deutschland sein.

Lieberknecht: Das richtige Format

Auch Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht begrüßt die Nominierung von Wulff. Wulff sei ein ausgesprochen kluger und erfahrener Politiker, der das richtige Format für das Amt besitze. In der schwierigen politischen Zeit suchten die Menschen nach Orientierung und Erklärungen, sagte Lieberknecht.

Deutschland brauche daher einen starken Bundespräsidenten. Wulffs Verständnis für die Probleme und auch Hoffnungen der Menschen in Deutschland sei sehr ausgeprägt. Er sei ein weltoffener, moderner und strategisch denkender Mann, sagte Lieberknecht.

Die stellvertretende CDU-Vorsitzende Annette Schavan sagte der "Süddeutschen Zeitung", Wulff habe als Ministerpräsident seine Kraft zur Integration bewiesen und genieße über Parteigrenzen hinweg hohe Wertschätzung.

In der FDP allerdings kommen nach der Nominierung Zweifel auf. Thüringens FDP-Generalsekretär Patrick Kurth forderte die Spitze seiner Partei zu einer Erklärung auf, worin "der Vorteil" für die Liberalen in der Nominierung Wulffs liege. "Wir können nicht der Abnickverein für die CDU werden", sagte er. Kurth hatte sich zuvor bereits "verwundert" gezeigt, dass sich die Kandidatensuche nur auf "Parteisoldaten" beschränkt habe.

Merkel: Kreativer Mensch

Bundeskanzlerin Angela Merkel bezeichnete Wulff als neugierigen und kreativen Menschen, der auf andere zugehe. Er sei zudem einem Wertesystem verhaftet, das Orientierung gebe. Die Kanzlerin betonte, sie halte ihn "für einen wunderbaren zukünftigen Präsidenten". Wulff sei bereit, in der schwierigen Zeit der großen Weltwirtschaftkrise Verantwortung für das Land zu übernehmen.

Vizekanzler Guido Westerwelle sagte, er rechne mit einer klaren Mehrheit für Wulff in der Bundesversammlung. Die FDP arbeite mit dem CDU-Politiker im Bund und in Niedersachsen seit Jahren ganz vorzüglich zusammen. Wulff sei ein Mann, "der für die Bürger da ist" und zugleich wisse, "welche geistige Achse unsere Republik braucht".

Seehofer gab bekannt, das CSU-Präsidium in München habe die Nominierung "einhellig beschlossen". Er sei sehr überzeugt, dass Wulff für alle Bevölkerungsschichten und alle Regionen eine erfolgreiche Arbeit leisten werde.

(DDP/apn/das)
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