Endspurt bei der Bundespräsidenten-Suche Christian Wulff soll Bundespräsident werden

Berlin (RPO). Die Suche nach einem Nachfolger für das Amt des Bundespräsidenten steuert auf das Ende zu. Kanzlerin Angela Merkel hat sich bereits entschieden: Demnach soll Christian Wulff neuer Hausherr im Schloss Bellevue werden. Ursula von der Leyen scheiterte offenbar an der eigenen Partei. Am Abend soll der CDU-Bundesvorstand in einer Telefonkonferenz die Personalie absegnen. SPD und Grüne haben sich bereits auf einen Gegenkandidaten verständigt.

Porträt: Stationen im Leben von Christian Wulff
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Am Donnerstag ging die Kandidatenkür für das höchste Amt im Staate in die heiße Phase. Wer beerbt den zurückgetretenen Horst Köhler? Zuletzt sind vor allem vier Namen im Rennen: Bundestagspräsident Norbert Lammert, Finanzminister Wolfgang Schäuble, Arbeitsministerin Ursula von der Leyen und der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff.

Noch am Morgen galt die in der Bevölkerung beliebte von der Leyen als Favoritin. Gegen Nachmittag dreht sich der Wind. Vor allem aus der konservativen Reihe kommt Widerspruch. Ihr ist von der Leyen zu modern und womöglich auch nicht erfahren genug. Der Widerstand formiert sich. Nicht noch mehr Profilverlust der Union durch eine Person, die die Partei in die Mitte rückt und das konservative Profil verwässert.

Die Macht der Ministerpräsidenten

Nach Informationen der Nachrichtenagentur DAPD sollen sich vor allem die Landesfürsten gegen die derzeitige Arbeitsministerin gestellt haben. Zum einen gelte sie zwar als unverzichtbar im Bundeskabinett, nicht nur mit Blick auf die anstehenden Haushaltsberatungen. Zum andern gebe es aber auch Bedenken, ob sie in der derzeitigen Krisensituation die richtige Kandidatin für das höchste Staatsamt und ob sie stark und eloquent genug für das Amt des Bundespräsidenten sei.

Immer häufiger fällt der Name Wulff. Er selbst hält sich zurück, soll sich aber selbst ins Spiel gebracht haben, wie es in Berliner Kreisen heißt. Auch die CDU-Ministerpräsidenten können sich mit ihm anfreunden, ebenso die CSU. Die FDP hatte sich sogar für Wulff stark gemacht, der seit Jahren eine CDU/FDP-Koalition in Hannover führt.

Laut "Spiegel Online" hatte sich Wulff bei der Kanzlerin selbst ins Gespräch gebracht und seine Bereitschaft erklärt, als Bundespräsident zu kandidieren. Am Donnerstag absolvierte er noch einen Termin in Cuxhaven, flog dann am Nachmittag mit dem Hubschrauber nach Berlin. Das war aber ohnehin geplant gewesen, weil Wulff am Abend an dem Treffen der Unionsministerpräsidenten im Vorfeld des Bundesrats teilnehmen will. Am späten Nachmittag ist die Sache so gut wie beschlossen. Um 18.15 soll der Bundesvorstand der CDU den Namen Wulff offiziell absegnen. Für den Abend ist eine Pressekonferenz angekündigt. Merkel trifft sich zudem mit den Unions-Ministerpräsidenten.

SPD und Grüne für Joachim Gauck

SPD und Grüne kündigten an, in der Bundesversammlung am 30. Juni nicht für Wulff stimmen zu wollen. Am Nachmittag fiel bereits der Name eines Gegenkandidaten: der frühere Stasiakten-Beauftragte Joachim Gauck. Der 70-jährige frühere DDR-Bürgerrechtler leitete bis zum Jahr 2000 die Stasi-Unterlagenbehörde in Berlin. Der Bürgerrechtler gehörte 1990 der ersten und letzten frei gewählten DDR-Volkskammer an.

Gauck stehe für eine überparteiliche Amtsführung und genieße Reputation weit über das eigene Lager hinaus, hieß es nach Berichten der Tageszeitung "Die Welt" in SPD-Kreisen. Laut "Frankfurter Allgemeine Zeitung" trafen sich der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel und der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Jürgen Trittin, am Donnerstag mit dem früheren DDR-Bürgerrechtler. Er habe seine Zustimmung gegeben, als Gegenkandidat der Opposition in die Bundesversammlung zu gehen.

"Gewichte haben sich verschoben"

Lange galt Arbeitsministerin Ursula von der Leyen als Favoritin. Dann verdichten sich Donnerstagmorgen Hinweise, dass die Arbeitsministerin doch nicht die Nachfolgerin von Horst Köhler sein werde. In Koalitionskreisen hieß es, es sei Bewegung in die Debatte gekommen. "Die Gewichte haben sich verschoben", sagte ein Vertreter der Koalition der Nachrichtenagentur Reuters.

Nach den Worten von CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe muss der neue Bundespräsident weltweit Akzeptanz finden. "Ich bin mir sicher, dass wir eine Persönlichkeit benennen werden, die in Deutschland und der Welt auf breite Akzeptanz treffen wird", heißt es in einer E-Mail Gröhes an die Parteifunktionäre, die unserer Redaktion vorliegt.

Kritik aus der SPD

Die Opposition hatte einen parteienübergreifenden Kandidaten gefordert und auf Gespräche mit den Regierungsparteien gedrängt. Mit Wulff wollen sie sich nicht arrangieren. Die SPD kritisierte zudem das Vorgehen von Union und FDP, die zusammen die Mehrheit in der Versammlung stellen. SPD-Chef Sigmar Gabriel warf Merkel vor, Parteitaktik über das Wohl des Staates zu stellen. "Merkel versucht nur machttaktische Spielchen und scheitert dabei auch noch an der eigenen Partei", sagte Gabriel am Donnerstag in Berlin.

"Köhler hat mit seinem Rücktritt dem Amt des Bundespräsidenten sehr geschadet, aber noch mehr schadet die Bundeskanzlerin diesem Amt", sagte Gabriel weiter. Merkel gehe es offensichtlich nur darum, bei der Präsidentenwahl Macht zu demonstrieren "und nicht einmal das gelingt ihr". Sie handele hier ebenso wie in anderen Fragen nicht als Kanzlerin sondern nur als Parteivorsitzende. Gabriel stellte zugleich klar, die SPD würde bei der Wahl des neuen Bundespräsidenten Wulff nicht unterstützen.

Die Bundesversammlung wählt das neue Staatsoberhaupt am 30. Juni.

(AP/AFP/ddp/RP/pst)
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