Neuer Vorwurf NSU-Helfer soll V-Mann in NPD gewesen sein

Berlin · Ein neuer Verdacht in dem schon ungeheuerlichen Skandal um die Morde der rechtsextremen Terrorzelle NSU ist aufgetreten: Ein Helfer des Trios soll V-Mann in der NPD gewesen sein. Innenminister Friedrich nimmt den Hinweis ernst.

Das Neonazi-Trio und seine Helfer
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Foto: dapd, BKA/Ostthueringer Zeitung

Im Umfeld der rechtsextremen Terrorzelle NSU soll es einen weiteren V-Mann der Sicherheitsbehörden gegeben haben. Einer der Beschuldigten im NSU-Verfahren könnte vor zehn Jahren Quelle des Verfassungsschutzes gewesen sein und Informationen aus dem Inneren der rechtsextremen NPD geliefert haben.

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) ging dem Hinweis nach. Er wollte sich noch am Mittwochnachmittag mit den Obleuten des Neonazi-Untersuchungsausschuss im Bundestag treffen.

Identität des V-Manns bleibt geheim

Laut Innenministerium kommt der Hinweis von einem Mitarbeiter der Bundesanwaltschaft. Das Ministerium äußerte sich nicht zu der Identität des angeblichen V-Mannes. Die Anwältin des mutmaßlichen Terrorhelfers und ehemaligen NPD-Funktionärs Ralf Wohlleben wies Spekulationen zurück, dass es sich bei dem angeblichen V-Mann um ihren Mandanten handeln könnte.

"Spiegel Online" berichtete, der Mann habe vor Jahren mit dem NPD-Verbotsantrag zu tun gehabt und sich nun erinnert, damals im Zusammenhang mit V-Leuten in der Partei den Namen Ralf Wohlleben gehört zu haben.

Wohlleben ist derzeit der Einzige aus dem NSU-Unterstützerkreis, der noch in Untersuchungshaft sitzt. Er soll dem Terrortrio eine Waffe und Munition besorgt sowie bei der Flucht in den Untergrund geholfen haben. Der ehemalige NPD-Funktionär gilt als eine der zentralen Figuren in Thüringens Neonazi-Szene.

Wohlleben in Isolationshaft

Die "Thüringer Allgemeine" berichtete in ihrer Online-Ausgabe unter Berufung auf Sicherheitskreise, Wohlleben sei wegen Verdunkelungsgefahr in Isolationshaft verlegt worden. Beamte des Bundeskriminalamts hätten seine Zelle in der Justizvollzugsanstalt Tonna in Thüringen am 7. September durchsucht. Hintergrund sei der Verdacht auf illegale Kontaktaufnahme in die rechtsradikale Szene gewesen.

Wohllebens Anwältin Nicole Schneiders bestätigte dem Blatt den Vorgang, wollte sich zu Details aber nicht äußern. Die Spekulationen über eine V-Mann-Tätigkeit ihres Mandanten wies sie zurück. "Er hat zu keinem Zeitpunkt mit irgendeiner Sicherheitsbehörde zusammengearbeitet", sagte sie der Zeitung "Die Welt". Auch aus dem Innenministerium in Erfurt hieß es, es gebe keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass Wohlleben V-Mann in Thüringen gewesen sei. Trotzdem seien Verfassungsschutz und Landeskriminalamt um Prüfung gebeten worden.

Die Nachforschungen des Bundesinnenministeriums sollen nun Licht ins Dunkel bringen. Das Ressort hat alle Sicherheitsbehörden um Stellungnahmen gebeten. Nach dpa-Informationen sollte der Hinweisgeber noch am Mittwoch befragt werden. Der Neonazi-Untersuchungsausschuss im Bundestag wollte bis zum Nachmittag einen Zwischenbericht des Innenressorts zu dem Fall bekommen.

Negatives Ergebnis erwartet

Das Bundesinnenministerium rechnet nicht damit, dass sich der Verdacht bewahrheitet. Es sei mehrfach geprüft worden, ob einer der Beschuldigten im Fall NSU als V-Mann aktiv gewesen sei, sagte ein Sprecher in Berlin. Das sei nicht der Fall gewesen. Das Ministerium gehe deshalb weiter davon aus, dass es keine V-Leute im Kreis der NSU-Beschuldigten gegeben habe - zumindest nicht beim Bundesamt für Verfassungsschutz oder dem Bundeskriminalamt.

Grünen-Chefin Claudia Roth forderte, Friedrich müsse den Sachverhalt schnellstmöglich klären. Linksfraktionschef Gregor Gysi sagte, wenn sich der Hinweis als richtig herausstelle, "dann ist eine neue Stufe erreicht". Damit wäre das Vertrauen der Bevölkerung in den Verfassungsschutz völlig zerstört. Die Linke-Obfrau im NSU-Untersuchungsausschuss, Petra Pau, sagte, es stehe der schlimme Verdacht im Raum, dass die Sicherheitsbehörden intern näher an dem Terrortrio und der Mordserie gewesen seien als bislang eingestanden.

FDP-Obmann Hartfrid Wolff forderte wegen der neuen Hinweise eine Sondersitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums im Bundestag. Erst kürzlich war ans Licht gekommen, dass die Berliner Polizei jahrelang den NSU-Unterstützer Thomas S. als V-Mann führte.

(dpa)
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