Kommentar zur Seenotrettung Schmähliches Versagen

Berlin · Kanzlerin Merkel fordert die Wiederaufnahme der staatlichen Seenotrettung im Mittelmeer. Man kann nicht glauben, dass die EU zu keiner Lösung in der Lage ist. Aber das ist die bedauerliche Wirklichkeit.

Merkel fordert staatliche Seenotrettung
Foto: dpa/Hannah Wallace Bowman

Die europäische Flüchtlingspolitik zeugt von einem schmählichen Versagen. Und ein Ende ist nicht in Sicht. Das liegt vor allem an mangelnder Solidarität. Mit dem Nachbarkontinent, mit den Flüchtlingen, aber auch untereinander. Die EU-Staaten wissen seit langem, dass sie das einmal teuer bezahlen werden – und ändern trotzdem nichts.

Sie sind zwar groß darin, staatlich subventionierte Waren nach Afrika zu exportieren und Bauern dort vernichtende Konkurrenz zu machen. Sie sorgen sich vielleicht darum, dass China den afrikanischen Markt erobert und so viel Land wie möglich kauft. Und sie sind bestürzt, dass der Tschadsee austrocknet. Doch die Konsequenzen wollen die meisten nicht sehen und schon gar nicht tragen.

Natürlich machen sich Menschen auf den Weg, wenn sie zuhause keinerlei Perspektiven haben. Und natürlich kann Europa diese Menschen nicht alle aufnehmen. Deswegen muss es mehr Hilfe vor Ort geben, mehr Entwicklungs- und Aufbauhilfe. Der Vorschlag des CDU-Politikers Schuster zu einer Vereinbarung mit afrikanischen Staaten nach dem Vorbild des EU-Türkei-Abkommens ist konstruktiv und gut – und eröffnet auch Chancen, auf legalem Weg nach Europa zu kommen.

Es muss ferner mehr Aufklärung über den tödlichen Fluchtweg übers Mittelmeer, die skrupellosen und brutalen Schlepper und die geringen Chancen, als Asylbewerber anerkannt zu werden. Ihnen müssen auch die großen kulturellen Unterschiede erklärt werden, die es ihnen erschweren, in Europa eine neue Heimat zu finden.

Und es muss einen fairen Handel und kein europäisches Leerfischen afrikanischer Gewässer geben. Europa muss auch seinen Müll selbst entsorgen anstatt in ärmste Gegenden zu exportieren, wo der Dreck später oft einfach nur abgekippt wird.

Intern müssen die EU-Partner viel pfleglicher miteinander umgehen. Jahrelang wurden Italien, Spanien, Griechenland und Malta mit ankommenden Flüchtlingen weitgehend allein gelassen. Selbstverständlich müssen diese Länder bei der Aufnahme unterstützt werden. Dafür muss es einen fairen Verteilungsschlüssel und eine faire Lastenverteilung geben. Oder Sanktionen für jene, die sich weigern.

Und Flüchtlinge, die trotz aller Widrigkeiten, hunderte Kilometer zu Fuß bis Libyen laufen, in Lagern geschlagen werden und Schleppern viel Geld für eine lebensgefährliche Überfahrt zahlen, müssen gerettet werden, wenn sie in Seenot geraten. Das darf die EU nicht privaten Hilfsorganisationen überlassen, die dann noch dafür kritisiert werden. Es ist ein Armutszeugnis, dass die staatliche Marine-Mission „Sophia“ faktisch eingestellt wurde. Eine neue Mission muss her. Und zwar schnell.

(kd)
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