Kolumne: Mit Verlaub! Wer die Hitze nicht verträgt, . . .

Düsseldorf · Öffentlich Schwäche zu zeigen, war und ist für Führungskräfte sehr riskant.

 Kolumnist Reinhold Michels.

Kolumnist Reinhold Michels.

Foto: Endermann, Andreas (end)

Es glaubt hoffentlich niemand die Mär, dass es für Führungskräfte außer bei traurigen Anlässen vorteilhaft sei, öffentlich Schwäche zu zeigen. Heute vor einer Woche schossen mir beim Blick auf den sichtbar schwitzenden CDU-Parteitagsredner Friedrich Merz historische Bilder durch den Kopf: beispielsweise ein Foto des kürzlich verstorbenen US-Präsidenten George H.W. Bush, der 1992 beim Staatsbankett in Tokio vom Stuhl fiel und unter den Tisch sackte; oder an einen legendär unvorteilhaften Schnappschuss von Bushs Vorvorgänger Jimmy Carter. Den hatte ein Fotograf mitleidlos als Jogger bloßgestellt, der in seinem schweißdurchtränkten Sportler-Hemdchen den Eindruck eines erschöpften Fitness-Opas um die Welt sandte, der will, aber nicht kann.
Und dann erinnerte ich mich an einen bedeutenden CDU-Parteitag im September 1989 in Bremen: Parteichef und Kanzler Helmut Kohl entledigte sich bei einem politischen, aber auch persönlich-medizinischen Härtetest seiner erbitterten Gegner Lothar Späth und Heiner Geißler, die seinen Sturz geplant hatten. Kohl hatte sich dem Ärzte-Rat widersetzt und einem akuten urologischen Problem stundenlang getrotzt. Die OP musste 24 Stunden warten. Kohl hatte seinem Sohn Walter den Lebensrat gegeben: „Du musst stehen.“ Führungskräfte wissen: Wer als Löwe Schwäche offenbart, der imponiert nicht, dem geht selbst kleineres Getier an die Kehle. Merz wirkte überanstrengt, gestresst, die Schweißtropfen, die er sich mit zunehmenden Redeminuten immer öfter von Kinn und Nase wischte, ließen seine Gegner und mehr noch seine Anhänger an einen weiteren US-Präsidenten denken an Harry S. Truman und dessen unbarmherzig klingende Wahrheit: „Wer die Hitze nicht verträgt, hat in der Küche nichts verloren.“

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