Kolumne „Mit Verlaub!“ Ellenbogen ausfahren!
Meinung | Düsseldorf · Trump, Putin, Erdogan wollen die EU schwächen. Aber nicht mit uns.
Was hätte wohl der große Goethe zum gegenwärtigen Zustand des nur den goldenen Worten seiner braven Sonntagsredner nach vereinten Europas von sich gegeben? Vielleicht so etwas wie den Marcron’schen Weckruf für eine Wiedergeburt Europas? Oder doch bloß ein hochmütig hingeworfenes „Europäische Absurditäten“? Schlagen wir beim Meister aus Frankfurt und Weimar nach, so finden wir beispielsweise einen Fingerzeig zum radikalen Individualismus und zu je eigener nationaler Interessenpolitik, die politisch gar nicht zum Antinationalisten Goethe passen wollen: „Eines schickt sich nicht für alle: Sehe jeder, wie er’s treibe. Sehe jeder, wo er bleibe – und wer steht, dass er nicht falle.“ Der große Blonde im Weißen Haus zeigt seit drei Jahren, dass man Goethe weder kennen noch etwas von ihm gelesen haben muss und trotzdem America-first-Politik treiben kann.
Goethe hin, Trump her, so selbstbezogen, wie die beiden klingen, kann und darf die Europäischen Union nicht handeln; es sei denn, sie will die größte politische Nachkriegsidee platzen lassen. Trump wäre das recht, Putin ebenso, und Erdogan erweckt den Eindruck, als treibe er sein böses Spiel mit dem Abendland, das er verächtlich für einen blässlichen „Christenklub“ hält. In diesem Klub ist das Christliche zwar ziemlich verweht, aber ein paar politische Kraftfelder und Widerstandsnester gegen Zumutungen sind doch noch vorhanden. Macron in Paris gehört dazu und auch Kanzler Kurz in Wien, die erfreulichste politische Nachwuchs-Persönlichkeit Europas. Wie der Österreicher zuletzt moderat im Ton und hart in der Sache Europa dazu aufrief, dem Mann aus Ankara die Stirn zu bieten und eine robuste Sicherung von Europas Außengrenze verlangte – das hatte Stil und Wucht. Wir müssen unsere Ellenbogen ausfahren.
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