Streitpunkt Vorratsdaten EU-Kommission wird Deutschland verklagen

Brüssel · Im Dauerstreit um die Vorratsdatenspeicherung ist der Brüsseler Geduldsfaden gerissen: Die EU-Kommission wird Deutschland für ein Vertragsverletzungsverfahren vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH) zerren.

Vorratsdatenspeicherung: Fragen und Antworten
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Fragen und Antworten zur Vorratsdatenspeicherung

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Foto: dapd, Thomas Kienzle

Dies beschloss das Gremium auf seiner Mittwochssitzung, wie die Nachrichtenagentur dapd aus Kommissionskreisen erfuhr. Offiziell soll die Entscheidung am Donnerstag bekannt gegeben werden. Über mögliche Strafen für Deutschland, das die europäische Vorratsdaten-Richtlinie nicht fristgerecht umgesetzt hatte, wollte sich die Brüsseler Behörde nicht äußern.

Die angekündigte Klage ist der vorläufige Höhepunkt eines jahrelangen Zwists. Zwar war die 2006 erlassene EU-Richtlinie zur umstrittenen Speicherung von Telekommunikationsdaten hierzulande zwischenzeitlich schon in nationales Recht übertragen worden - doch das Bundesverfassungsgericht kippte Teile der deutschen Vorratsdatenregelung im März 2010. Seitdem streitet das schwarz-gelbe Regierungsbündnis über eine Reform, und die EU-Kommission wurde zunehmend ungeduldig.

Brüssel will die Richtlinie zwar überprüfen und möglicherweise ändern, ist aber der Auffassung, dass Deutschland unabhängig davon zur Umsetzung verpflichtet ist. Bereits im vergangenen Jahr wurde daher ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Daraufhin musste Deutschland eine Stellungnahme zum Stand der Richtlinienumsetzung abgeben. Das Papier wurde Ende Dezember nach Brüssel geschickt.

Schwarz-Gelb kann sich nicht einigen

Doch damit gab sich die Kommission nicht zufrieden: Im März forderte sie binnen vier Wochen einen Gesetzentwurf der Bundesregierung, der die Vorgaben der Richtlinie erfüllt. Die Frist lief am 26. April ab.

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und Innenminister Hans-Peter Friedrich konnten sich bis dahin und auch danach nicht auf eine Neuregelung einigen. Während die FDP-Politikerin lediglich bei einem konkreten Verdacht Daten vor dem Löschen bewahren und für die Auswertung zur Verfügung stellen will, beharrt der CSU-Mann auf einer anlasslosen Speicherung aller Daten für mehrere Monate. Dabei stützt er sich auf die Vorgaben der EU.

Bei der Vorratsdatenspeicherung geht es um die vorsorgliche Speicherung aller sogenannten Verkehrsdaten der Telekommunikation für einen bestimmten Zeitraum. Zu den Verkehrsdaten zählen IP-Adressen von Computern und Telefonnummern von Anschlüssen, zwischen denen telefoniert oder gemailt wird, sowie Beginn und Ende einer Telefon- oder Internetverbindung. Bei der Nutzung von Handys auch deren Standort. Es geht aber nicht um Inhalte von Telefonaten oder E-Mails.

EU-Kommission könnte nach Urteil Strafzahlung beantragen

Sollte der EuGH nun ein Versäumnis Deutschlands erkennen, müsste er ein entsprechendes Urteil fällen. Kommt die Bundesrepublik den gerichtlichen Auflagen nicht nach, kann die EU-Kommission beantragen, dass eine Strafzahlung verhängt wird. Deren Höhe ist unklar.

Im Vertrag über die Arbeitsweise der EU ist die Rede von einem "Pauschalbetrag oder Zwangsgeld" in einer Höhe, die die Kommission "den Umständen nach für angemessen hält". Sie richtet sich in der Regel nach dem Bruttosozialprodukt des jeweiligen Mitgliedstaates und nach der Schwere des Vergehens. Da für gewöhnlich Tagessätze festgelegt werden, steigt die Höhe der Strafe, je länger das Verfahren dauert. Gegen Deutschland laufen bereits Dutzende Verfahren wegen der Verletzung von EU-Vertragsbestimmungen. Zu einer Geldstrafe ist es bisher aber noch nie gekommen.

FDP-Generalsekretär Patrick Döring hatte kürzlich erklärt, nicht mit juristischen Konsequenzen seitens der EU-Kommission zu rechnen.
Er könne sich "nicht vorstellen, dass ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland tatsächlich umgesetzt wird", sagte Döring der Nachrichtenagentur dapd noch vor zwei Wochen.

(dapd)
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