Abgeordneter unter Quarantäne Coronavirus bedroht Ministerpräsidentenwahl in Thüringen

Berlin · Der Virus legt sich als zusätzliches Problem über dem Versuch, einen neuen Regierungschef in Erfurt zu bekommen. Auch die Linken rollen der CDU dicke Steine in den Weg.

 Vor dem Eingang des Landtages in Erfurt.

Vor dem Eingang des Landtages in Erfurt.

Foto: dpa/Martin Schutt

Der Thüringer Landtag fiebert dem für diesen Mittwoch geplanten neuen Anlauf für eine Ministerpräsidentenwahl aus einer Reihe von Gründen entgegen. Über allem schwebte am Dienstag die Möglichkeit, dass die Sitzung wegen Corona-Verdachtes noch kurzfristig abgesagt werden könnte. Aber auch inhaltlich wurden die Vorbereitungen von zahlreichen Unklarheiten und Belastungen begleitet.

Die CDU bestätigte, dass einer ihrer Landtagsabgeordneten unter Quarantäne gestellt worden ist. Zuvor war bekannt geworden, dass der Politiker mit einem infizierten 57-jährigen Mann aus dem Saale-Orla-Kreis gemeinsam in Skiurlaub in Italien gewesen war. Der Abgeordnete hatte am Montag an der Sitzung der CDU-Fraktion teilgenommen und so möglicherweise 20 weitere Parlamentarier infizieren können.

Die Neuwahl des Ministerpräsidenten ist nötig geworden, weil am 5. Februar der Versuch, den geschäftsführend noch amtierenden Amtsinhaber Bodo Ramelow im dritten Wahlgang mit einfacher Mehrheit zu wählen, an einer Finte der AfD gescheitert war. Sie hatte im dritten Wahlgang nicht ihren eigenen Kandidaten, sondern den FDP-Politiker Thomas Kemmerich gewählt und ihm damit zu mehr Stimmen als Ramelow verholfen. Erst nach der Annahme der Wahl war Kemmerich klar geworden, welchen Tabubruch er begangen hatte. Er trat nach drei Tagen zurück und war seitdem geschäftsführende Ministerpräsident.

Hinter den Kulissen herrschte am Dienstag ein heftiges Tauziehen. Ob die AfD mit der Aufstellung ihres Fraktionsvorsitzenden Björn Höcke einen neuen Coup plante, wurde zunächst nicht klar. Die FDP verständigte sich darauf, den Saal während der Abstimmung zu verlassen, weil sie nicht mit Enthaltung, sondern bewusst gegen beide Kandidaten, Höcke und Ramelow, votieren wolle, dies der Stimmzettel jedoch nicht zulasse.

Von der CDU wurde erwartet, dass vier ihrer Mitglieder schon im ersten Wahlgang für Ramelow votieren, um eine Verständigung mit der Linken zur Stabilisierung des Landes mit dem Ziel von Neuwahlen Ende April nächsten Jahres umzusetzen. Das trifft auf heftige Kritik der Bundespartei. Die stellvertretende CDU-Vorsitzende Julia Klöckner konnte sich auf der einen Seite nicht vorstellen, dass die CDU in Thüringen einen AfD-Vertreter wähle. „Christdemokraten arbeiten nicht mit Politikern zusammen, die rassistisch und nationalistisch sind“, sagte sie unserer Redaktion. Das heiße aber auch „nicht automatisch, dass wir deshalb Herrn Ramelow unterstützen können“, unterstrich die CDU-Politikerin. „Er steht mit seiner Linken für eine DDR-Verklärung, für den Austritt aus der Nato oder für ein anderes Gesellschaftssystem“, betonte Klöckner. Das sei nicht mit dem CDU-Programm der breiten gesellschaftlichen Mitte vereinbar.

Drei Vorfälle dürften es der CDU besonders schwermachen, einem Politiker der Linken ins Regierungsamt zu verhelfen. In der vergangenen Woche hatten acht Linken-Abgeordnete Strafanzeige gegen Kanzlerin Angela Merkel wegen Beihilfe zum Mord erstattet. Die CDU-Politikerin habe den Drohnenangriff der USA auf den iranischen Top-General Soleimani nicht verhindert. Am Wochenende wählte die Linke in Thüringen einen ehemaligen Stasi-Mitarbeiter zum Landesgeschäftsführer. Und am Dienstag wurde bekannt, dass eine Linken-Perspektivveranstaltung mit Parteichef Bernd Riexinger die Wortmeldung einer Genossen nicht beanstandete, die „nach der Revolution“ davon ausging, dann „ein Prozent der Reichen erschossen“ zu haben. Riexinger reagierte nicht entsetzt, sondern meinte, die Reichen nicht erschießen, sondern für „nützliche Arbeit“ einsetzen zu wollen. Inzwischen bedauerte er seine Reaktion.

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