Frauenquote für Bundesverdienstkreuze Orden sind keine Männersache

Meinung | Düsseldorf · Mit einer Vergabequote für Bundesverdienstkreuze will der Bundespräsident die Zahl ausgezeichneter Frauen steigern. Er ist nicht der Erste, der zu diesem Mittel greift. Was das über die real existierende Gleichberechtigung in der Bundesrepublik verrät.

 2020 bekam die Wissenschaftsjournalistin Mai Thi Nguyen-Kim den Verdienstorden der Bundesrepublik. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zeichnete sie aus.

2020 bekam die Wissenschaftsjournalistin Mai Thi Nguyen-Kim den Verdienstorden der Bundesrepublik. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zeichnete sie aus.

Foto: Michael Sohn/POOL AP/dpa/Michael Sohn

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier möchte mehr Frauen mit Verdienstorden der Bundesrepublik auszeichnen und führt darum eine Quote von mindestens 40 Prozent ein. Zugleich rief er dazu auf, mehr Frauen für diese Auszeichnung vorzuschlagen: „Frauen leisten Großes in unserer Gesellschaft. Ob in Vereinen, Unternehmen, an Universitäten oder in der Kultur – Frauen sorgen für Zusammenhalt, Menschlichkeit, Fortschritt und Kreativität“, sagte Steinmeier. Dafür gebühre ihnen Dank, „aber auch mehr sichtbare Anerkennung“. Obwohl sich Frauen und Männer in unserer Gesellschaft gleichermaßen engagierten, gehe nur rund ein Drittel der Orden an Frauen, teilte das Bundespräsidialamt mit.

Nun kann man einwenden, dass ein Verdienstorden seine Bestimmung schon im Namen trägt: Er soll besondere Verdienste ehren, das hat mit dem Geschlecht erst einmal nichts zu tun. Doch die Einführung der 40-Prozent-Quote ist in Wahrheit nur eine Erhöhung. Bisher galt eine 30-Prozent-Quote, 2006 eingeführt durch den damaligen Bundespräsidenten Horst Köhler. Erst mit dieser Quote konnte er den Anteil ausgezeichneter Frauen von unter 15 Prozent auf das quotierte Drittel heben. Aber auch nicht höher. Immerhin: Quoten funktionieren. Zumal sie bei den Verdienstorden auch schon dadurch erreicht wurden, dass man nominierte Männer auf eine Warteliste schob, wenn aus ihrem Bundesland zu wenig Frauen vorgeschlagen wurden, damit der weibliche Anteil pro Jahr erreicht werden konnte.

Doch Quoten sind ein Mittel des Zwangs – und damit ein Zeichen dafür, dass die gesellschaftliche Praxis den öffentlich geäußerten Idealen hinterherhinkt. Anscheinend ist es vielfach noch immer so, dass ohne Frauen in Vereinen, Institutionen und Kultureinrichtungen nichts läuft. Doch wenn es an die Ehrung geht, ans öffentliche Dankesagen und Wahrgenommenwerden, treten die Männer vor. Das mag damit zusammenhängen, dass ein Teil der Verdienstorden automatisch vergeben wird, etwa wenn bestimmte Beamte, Soldaten und Richter aus dem Amt scheiden. Da bildet sich in der Ordensvergabe also die ungleiche Verteilung solcher Posten ab.

Es mag auch Frauen geben, die nicht vorgeschlagen werden wollen, weil sie Orden für „Gedöns“ halten und lieber im Hintergrund bleiben – eine falsche ritterliche Bescheidenheit, zu der Frauen auch heute noch oft erzogen werden. Doch der Bundespräsident hat zu Recht dazu aufgerufen, dass Bürgerinnen und Bürger von ihrem Vorschlagsrecht Gebrauch machen und dabei gezielt Frauen vorschlagen sollen. Dass es an solchen Vorschlägen mangelt, offenbart den real existierenden Stand der Gleichberechtigung. Frauen sind zu wenig im Blick, auch von anderen Frauen. Was sie leisten, gerade im Ehrenamt, gilt oft als selbstverständlich, wird nicht hervorgehoben, zu wenig beachtet, zu wenig geachtet.

Dass der Bundespräsident der Quote nun einen weiteren Schubs gegeben hat, sollte also nur der Anfang sein. Der weibliche Bevölkerungsanteil liegt in Deutschland über 50 Prozent. Vor allem sollten Quoten jedoch möglichst schnell überflüssig werden. Dazu müssen Frauen gesehen werden. Sie müssen selbstbewusst Anerkennung einfordern und ihre Leistung nicht mehr selbst kleinreden. Sie müssen auch in Schlüsselpositionen vorrücken, die automatisch Ehrung erfahren – und damit auch das Bild von Frauen in der Öffentlichkeit verändern.

Das sind bekannte Forderungen, wann immer es um Karrierechancen und Anerkennung für Frauen geht oder um Stichworte wie die gläserne Decke. Doch ist es nicht müßig, sie immer wieder zu erwähnen, denn Quoten werden erst überflüssig, wenn gesellschaftlicher Wandel keine Forderung mehr ist, sondern sich in den Köpfen der Menschen vollzogen hat. Und es negativ auffällt, wenn auf einem Foto mit verdienten Menschen aus der Bundesrepublik vor allem Männer in die Kamera lächeln.

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