Kommentar zum Bürgergeld Hubertus Heil liefert

Meinung | Berlin · Der Arbeitsminister hat sich im Vermittlungsverfahren zum Bürgergeld als gewiefter Verhandler durchgesetzt: Der Hartz-IV-Nachfolger kommt zum Jahresbeginn, die Kompromisse sind verkraftbar. Das ist vor allem für seine SPD eine gute Botschaft. An diesem Freitag stimmen Bundestag und Bundesrat ab.

 Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) am Donnerstag in der Bundestagsdebatte über das Bürgergeld und seinen Etat, der mehr als ein Drittel des gesamten Bundeshaushalts verschlingt.

Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) am Donnerstag in der Bundestagsdebatte über das Bürgergeld und seinen Etat, der mehr als ein Drittel des gesamten Bundeshaushalts verschlingt.

Foto: dpa/Britta Pedersen

Nach dem Mindestlohn und der Grundrente bringt Arbeitsminister Hubertus Heil an diesem Freitag das dritte große Projekt durch Bundestag und Bundesrat: das Bürgergeld kann zum Jahresbeginn kommen. Die SPD verdankt ihrem früheren Generalsekretär, mit diesem Schritt endgültig das leidige Thema Hartz IV abhaken zu können, das der Partei seit Einführung durch Gerhard Schröder vor 20 Jahren tiefe Wunden zugefügt hatte. Schon die Umwidmung in Bürgergeld ist für die SPD von unschätzbarem Wert, auch wenn darin auch künftig mehr Hartz IV drinstecken wird, als es die Sozialdemokraten eingestehen.

Heil verkörpert in der Ampel-Regierung wie kein anderer den Kern der SPD als Sozialstaatspartei. Der selbstsichere Niedersachse hat schon Jahrzehnte in der Bundespolitik auf dem Buckel, ist mit seinen 50 Jahren aber immer noch relativ jung. Für das einzige Kabinettsmitglied mit zwei Legislaturperioden im selben Amt ist künftig noch mehr Karriere drin.

In den Verhandlungen mit der Union war Heil gewieft: das Schonvermögen setzte er von Vornherein unverhältnismäßig hoch an - wohlwissend, dass es die Ampel im absehbaren Vermittlungsverfahren ohne größere Schmerzen wieder reduzieren könnte. Auch die zweijährige „Karenzzeit“, in der wie bereits während der Corona-Pandemie die Angemessenheit einer Wohnung auch künftig nicht mehr überprüft wird, konnte relativ einfach auf ein Jahr verkürzt werden. Nur beim Verzicht auf die „Vertrauenszeit“, der weitgehenden Aussetzung von Sanktionen im ersten halben Jahr, musste die Ampel wirklich Federn lassen. Doch das ging zu Lasten der Grünen, nicht der SPD.

Bei allen Stellschrauben konnte die Union Akzente setzen, die Reform deutlich verbessern und sich als Siegerin inszenieren. Doch für Heil und die SPD waren die Geländegewinne der Opposition hinnehmbar. Schließlich verändern die Veränderungen nicht den Kern des Anliegens der SPD: Hartz IV heißt jetzt Bürgergeld, Bezieher müssen nicht mehr jeden erstbesten Job annehmen und können eine Ausbildung nachholen, die Regelsätze werden stark angehoben und künftig an die aktuelle, statt an die zurückliegende Inflation angepasst.

Ökonomisch gesehen allerdings bleibt diese Reform weit hinter dem zurück, was wünschenswert gewesen wäre: vor allem die Hinzuverdienstregeln hätten mutiger verbessert werden müssen. Statt zu feiern, dass Bürgergeld-Bezieher künftig vom Selbstverdienten zwischen 520 und 1000 Euro nur 70 Prozent statt bisher 80 Prozent abgeben müssen, hätte Heil sich eingestehen sollen, dass mit diesem Schritt kaum neue Arbeitsanreize gesetzt werden.

Ökonomen hatten der Regierung seit Jahren empfohlen, Zuverdienste im Minijob-Bereich bis 520 Euro voll anzurechnen, sie damit unattraktiv zu machen – und stattdessen alle darüber liegenden Verdienste bis 2000 Euro nur mit geringen Prozentsätzen auf das Bürgergeld anzurechnen. Das hätte einen echten Schub bei der Wiedereingliederung in Arbeit ausgelöst. Aber Heil wären die ohnehin hohen Bürgergeld-Kosten zu sehr aus dem Ruder gelaufen. So muss er sich fragen lassen, ob er das Thema Langzeitarbeitslosigkeit wirklich schnell und wirksam beenden will.

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