Anschlag am Breitscheidplatz Opposition im Amri-Ausschuss stellt Bundesbehörden vernichtendes Zeugnis aus

Berlin · FDP, Linke und Grüne im Bundestags-Untersuchungsausschuss zum Berliner Weihnachtsmarktanschlag haben den Sicherheitsbehörden des Bundes ein vernichtendes Zwischenzeugnis ausgestellt.

 Anis Amri war mit dem Lkw über den Weihnachtsmarkt gerast.

Anis Amri war mit dem Lkw über den Weihnachtsmarkt gerast.

Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

"Die Bundessicherheitsbehörden waren mit einer falschen Gefahreneinschätzung unterwegs, sagte die Grünen-Obfrau Irene Mihalic in dem Gremium anlässlich dessen Zwischenbilanz am Mittwoch in Berlin.

Die Linken-Obfrau im Ausschuss, Martina Renner, kritisierte, dass das BKA das Verfahren zu Amri im Vorfeld des Anschlags nicht an sich gezogen habe - obwohl es bei den Bundesbehörden bereits seit 2015 Erkenntnisse über ihn gegeben habe. Sie sprach von einer "Mischung aus Inkompetenz und polizeilicher Fehleinschätzung", wegen der nötige Maßnahmen unterlassen worden seien. So seien abgehörte Telefonate nicht ausgewertet und Observationen abgebrochen worden.

Die Oppositionsvertreter warfen den Bundesbehörden vor, zu lange an der These festgehalten zu haben, Amri sei Einzeltäter gewesen. "Amri hatte Kontakt zum Who is Who der damaligen Islamistenszene", sagte der FDP-Mann im Ausschuss, Benjamin Strasser. Beim Umfang seiner Kontakte - etwa auch zur radikalsten Moschee in Berlin - lasse sich ein Netzwerk nicht verneinen.

Auch die These des früheren Bundesinnenministers Thomas de Maizière (CDU), die Behördenfehler seien ein "reiner Polizeifall", lasse sich nicht halten. BKA und Bundesverfassungsschutz hatten schon 2016 Erkenntnisse zu Amri. Als "systemische Fehler" bezeichnete es Strasser, dass es in Bund und Ländern zu viele Sicherheitsbehörden gebe. Er warb für eine neue Föderalismusreform zur Sicherheit in Deutschland.

Im Untersuchungsausschuss des Bundestages hatte ein leitender Beamter des nordrhein-westfälischen Landeskriminalamts (LKA) dem BKA im November vorgeworfen, die Ermittlungen seiner Behörde gegen den späteren Attentäter Amri faktisch sabotiert zu haben. Dies sei auf Anweisung "von ganz oben" geschehen, sagte er.

Das BKA habe darauf hingewirkt, einen wichtigen Informanten aus Amris Umfeld "aus dem Spiel" zu nehmen, lautete der Vorwurf des LKA-Beamten. Die Oppositionsvertreter im Untersuchungsausschuss machten am Donnerstag deutlich, dass sie keinen Grund sehen, die Aussagen des LKA-Zeugen anzuzweifeln. Dessen Darstellung hatte unter anderem das Bundesinnenministerium widersprochen.

Der Anfang 2018 eingesetzte Untersuchungsausschuss zog am Donnerstag anlässlich der Halbzeit der Legislaturperiode Bilanz. Der aus Tunesien stammende Anis Amri war am 19. Dezember 2016 mit einem Lastwagen in den Weihnachtsmarkt auf dem Berliner Breitscheidplatz gefahren. Dabei starben zwölf Menschen. Amri wurde auf der Flucht in Italien von Polizisten erschossen.

(lukra/AFP)
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