Machtkampf in Tunis Tunesiens Präsident verkündet Auflösung des Parlaments

Tunis · Im vergangenen Juli hat Präsident Kais Saied die Arbeit des tunesischen Parlaments gestoppt. Erstmals trafen Abgeordnete am Mittwoch trotzdem zusammen. Daraufhin ordnete Saied die Auflösung des Parlaments an.

 Demonstranten protestieren am tunesischen Unabhängigkeitstag in Tunis gegen ihren Präsident Kais Saied (Archivfoto vom 20. März 2022).

Demonstranten protestieren am tunesischen Unabhängigkeitstag in Tunis gegen ihren Präsident Kais Saied (Archivfoto vom 20. März 2022).

Foto: AP/Hassene Dridi

Im seit Monaten schwelenden Machtkampf in Tunesien hat Präsident Kais Saied die Auflösung des Parlaments angeordnet. Er reagierte damit am Mittwochabend auf eine Sitzung der Abgeordneten, deren Arbeit der Staatschef bereits im vergangenen Jahr suspendiert hatte. Saied bezeichnete das Treffen bei einer Sitzung des nationalen Sicherheitsrates als einen „gescheiterten Putschversuch“ und eine „Verschwörung gegen die Sicherheit des Staates“. Weiter erklärte er: „Ich verkünde heute in diesem historischen Moment die Auflösung des Parlaments, um den Staat und seine Institutionen zu schützen.“

Saied hatte im vergangenen Juli den damaligen Regierungschef Hichem Mechichi abgesetzt und die Arbeit des Parlaments eingefroren. Er hob zudem die Immunität aller Abgeordneten auf. Trotz internationaler Proteste verlängerte er die Maßnahmen später. Seine Gegner verurteilten sein Vorgehen als Staatsstreich. Der frühere Juraprofessor berief sich hingegen auf die Verfassung des Landes. Zuletzt trieb er auch den Umbau des Justizsystems voran.

Mitglieder des Parlaments hatten sich am Mittwoch zunächst erstmals seit der Suspendierung zu einer virtuellen Sitzung getroffen. Dabei beschlossen sie, die im Juli vergangenen Jahren verkündeten Maßnahmen Saieds wieder aufzuheben. Größte Fraktion im Parlament des nordafrikanischen Landes ist die islamistische Ennahda-Partei.

Saied genoss in der Bevölkerung bislang großen Rückhalt für sein Vorgehen, zuletzt wuchs der Widerstand jedoch. Vor zehn Tagen gingen Tausende Gegner auf die Straße. Beobachter befürchten, dass eine gesellschaftliche Spaltung die Stabilität Tunesiens gefährdet.

In dem nordafrikanischen Land hatten die arabischen Aufstände begonnen, in deren Folge 2011 mehrere arabische Langzeitherrscher gestürzt wurden. Tunesien gelang danach als einzigem Land der Region der Übergang in die Demokratie. Es kämpft aber weiterhin mit einer Wirtschaftskrise, hoher Arbeitslosigkeit und weit verbreiteter Korruption. Vor allem in der jungen Generation ist der Unmut groß.

(peng/dpa)
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