Menschenrechts-Preisträger Türken demonstrieren nach Urteil gegen Kulturförderer Kavala

Istanbul · Nach der Verurteilung des türkischen Kulturförderers Osman Kavala zu lebenslanger Haft haben in der Türkei hunderte Menschen für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit demonstriert. Auch international hagelt es Kritik am Vorgehen der Türkei.

Menschen bei einer Demonstration gegen das umstrittene Urteil gegen den Menschenrechtsaktivisten Osman Kavala in Istanbul am Dienstag.

Menschen bei einer Demonstration gegen das umstrittene Urteil gegen den Menschenrechtsaktivisten Osman Kavala in Istanbul am Dienstag.

Foto: AFP/YASIN AKGUL

Straßenproteste gegen das Urteil gab es am Dienstag unter anderem in Istanbul, Ankara und Izmir, wie AFP-Reporter berichteten. Die Kundgebungen verliefen ruhig, die Polizei schritt nicht ein.

In der Nähe des symbolträchtigen Taksim-Platzes in Istanbul versammelten sich rund 400 Protestteilnehmer. Mit Protestrufen wie „Taksim ist überall, der Widerstand ist überall“ und „Dies ist nur der Anfang, der Kampf geht weiter“ erinnerten die Demonstranten an die regierungskritischen Massenproteste im Gezi-Park im Jahr 2013.

Akif Burak Atlar von der Protestplattform Taksim Solidarity sagte, das Urteil gegen Kavala sei gegen die Demokratie gerichtet. „Es missachtet die Rechtsstaatlichkeit“, kritisierte er.

Kavala war am Montag wegen des Vorwurfs des versuchten Umsturzes der Regierung von einem Gericht in Istanbul zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Seit 2017 hatte der mittlerweile 64-Jährige ohne Urteil im Gefängnis gesessen. Im März hatte Kavala - in Abwesenheit - den Menschenrechtspreis der Düsseldorfer Tonhalle bekommen.

International wurde das Urteil gegen Kavala scharf kritisiert, die Bundesregierung forderte die sofortige Freilassung Kavalas, die US-Regierung äußerte sich „zutiefst besorgt“. Der türkische Justizminister Bekir Bozdag wies die Kritik zurück. Kein Land habe das Recht, sich in die justiziellen Angelegenheiten der Türkei einzumischen, erklärte er.

Der Fall hatte der Türkei bereits vor der Entscheidung international scharfe Kritik eingebracht. Dem Land droht deswegen etwa der Ausschluss aus dem Europarat. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hatte 2019 die Freilassung des Menschenrechtsaktivisten angeordnet und die Haft als politisch motiviert eingestuft. Ende 2021 war ein diplomatischer Eklat entbrannt, nachdem zehn Botschafter in der Türkei - darunter der deutsche - die Freilassung Kavalas gefordert hatten. Präsident Recep Tayyip Erdogan wertete dies als unzulässige Einmischung und drohte den Diplomaten mit Ausweisung.

Kavalas Anwälte kritisierten, ihr Mandant sei in dem ganzen Verfahren nie richtig befragt worden. Kavala selbst monierte, es seien keine Beweise vorgelegt worden, die seine Schuld belegen könnten.

Kavala ist bereits seit mehr als vier Jahren im Hochsicherheitsgefängnis Silivri nahe Istanbul inhaftiert. Der Geschäftsmann war 2017 ursprünglich wegen des Vorwurfs festgenommen worden, die gegen die Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan gerichteten Gezi-Proteste in Istanbul im Jahr 2013 finanziert und organisiert zu haben.

Im Februar 2020 sprach ein Gericht ihn von diesem Vorwurf frei. Kavala wurde damals aus der Haft entlassen, jedoch wenige Stunden später erneut festgenommen - diesmal im Zusammenhang mit dem Putschversuch gegen Erdogan im Jahr 2016 und wegen Spionagevorwürfen. Kavala weist die Anschuldigungen zurück.

Kavala stammt aus einer Unternehmerfamilie und förderte zahlreiche zivilgesellschaftliche Projekte in der Türkei. Er ist Gründer der Organisation Anadolu Kültür.

(peng/AFP/dpa)
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