Auszeichnung in Düsseldorf verliehen Cem Özdemir holt Menschenrechtspreis für Osman Kavala in der Tonhalle ab

Düsseldorf · Der mit 10.000 Euro dotierte Menschenrechtspreis 2022 der Tonhalle geht an den türkischen Kulturförderer und Menschenrechtsaktivisten Osman Kavala. Die Ehrung nahm stellvertretend Bundesminister Cem Özdemir entgegen, da der Preisträger im Gefängnis sitzt.

 Der Chefdirigent der Tonhalle, Adam Fischer (l.), und Minister Cem Özdemir bei der Preisverleihung.

Der Chefdirigent der Tonhalle, Adam Fischer (l.), und Minister Cem Özdemir bei der Preisverleihung.

Foto: Tonhalle/Susanne Diesner

Am Tag der Preisvergabe ist Osman Kavala seit 1600 Tagen ohne Verurteilung in der Türkei inhaftiert. Den Menschenrechtspreis der Tonhalle kann der türkische Kulturförderer und Bürgerrechtler daher am Samstagabend nicht persönlich in Düsseldorf entgegen nehmen – im Rahmen des Menschenrechtskonzertes, bei dem die Düsseldorfer Symphoniker Beethovens 9. Sinfonie in der Tonhalle spielen.

„Osman Kavala sollte heute hier sein“, sagt der Bundestagsabgeordnete und Bundesminister Cem Özdemir (Grüne), der den Preis stellvertretend in Empfang nimmt und vom Geehrten die Nachricht übermittelt, er fühle sich geehrt. „Wir fordern seine sofortige Freilassung, Demokrat zu sein ist kein Verbrechen“, sagt Özdemir. Er thematisiert auch den Krieg in der Ukraine, verbunden mit der Hoffnung, dass die Waffen bald schweigen. „Natürlich müssen wir jetzt alles Menschenmögliche tun, um unseren Freunden in der Ukraine beizustehen und darauf hinzuwirken, das dieser verbrecherische Krieg beendet wird“, sagt er.

Seit 2016 zeichnet der Chefdirigent der Düsseldorfer Symphoniker, Adam Fischer, jährlich eine Person oder Organisation aus, die sich besonders für Menschenrechte einsetzt. „Adam Fischer hat vor einigen Jahren für die Tonhalle deren Doppelrolle als Haus der Musik und der Menschenrechte erfunden“, sagt Oberbürgermeister Stephan Keller in seiner Rede. Der Chefdirigent selbst sagt in seiner Laudatio auf den Preisträger: „Osman Kavala ist zutiefst davon überzeugt, dass Menschen mit unterschiedlichen politischen Vorstellungen und verschiedenen ethnischen und religiösen Identitäten durch Kunst und Kultur zusammenfinden können.“

Seit 2017 sitzt Kavala in einem Gefängnis in der Nähe von Istanbul. „Je länger er inhaftiert ist, desto länger wird die Liste der Anklagepunkte, die man ihm vorwirft“, so Fischer. Osman Kavala ist unter anderem Gründer der Organisation „Anadolu Kültür“, einer gemeinnützigen Organisation mit Sitz in Istanbul, die kulturelle und soziale Projekte fördert. 2017 wurde er unter dem Vorwurf verhaftet, die landesweiten Gezi-Proteste organisiert und finanziert zu haben. Nachdem der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Dezember 2019 seine sofortige Freilassung angeordnet und die Haft als politisch motiviert eingestuft hatte, wurde Kavala 2020 freigesprochen, jedoch kurz darauf erneut verhaftet. Die neue Anklage lautet auf politische und militärische Spionage im Zusammenhang mit dem Putschversuch von 2016. Kavala sitzt mit nur wenigen Stunden Unterbrechung in einem türkischen Gefängnis, ohne dass er in einem der gegen ihn erhobenen Anklagepunkte für schuldig befunden wurde. Im Dezember 2021 leitete der Europarat ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Türkei ein.

 Osman Kavala bei einem Besuch im EU-Parlament 2014.

Osman Kavala bei einem Besuch im EU-Parlament 2014.

Foto: dpa/Wiktor Dabkowski

„Diese lange Untersuchungshaft soll Kavala zum Verstummen bringen und andere Menschenrechtler abschrecken“, erklärt Adam Fischer. „Gerade in diesen fürchterlichen Zeiten mit dem schrecklichen unvorstellbaren Krieg soll uns allen klar werden, wie wichtig die Erhaltung der freien Gesellschaft ist und auch, wie verletzlich sie sein kann“, sagt der Chefdirigent, der mit den Symphonikern später mit stehenden Ovationen für Beethovens 9. Sinfonie belohnt wird.

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