Streit um Causa Kavala Erdogan erklärt deutschen Botschafter zur "unerwünschten Person"

Ankara · Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan hat im Streit um den inhaftierten türkischen Menschenrechtsaktivisten Osman Kavala den deutschen Botschafter, den US-Botschafter sowie acht weitere Botschafter zur "unerwünschten Person" erklären lassen.

 Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan (Archivbild).

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan (Archivbild).

Foto: AP/Francisco Seco

Die Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei stehen vor einer erneuten Belastungsprobe. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan verkündete am Samstag, den Botschafter Deutschlands, der USA und acht anderer Staaten zu unerwünschten Personen zu erklären. Er habe das Außenministerium dazu angewiesen, sagte der türkische Präsident bei einem Besuch in Eskisehir. „Ich sagte, kümmern Sie sich darum, diese zehn Botschafter so schnell wie möglich zur "Persona non grata" zu erklären“. Ein solcher Schritt führt in der Regel zur Ausweisung der Diplomaten. Eine Frist nannte Erdogan nicht.

Aus Kreisen des Auswärtigen Amts in Berlin hieß es dazu: „Wir haben die Äußerungen des türkischen Staatspräsidenten Erdogan sowie die Berichterstattung hierüber zur Kenntnis genommen und beraten uns derzeit intensiv mit den neun anderen betroffenen Ländern.“ Betroffen sind neben Deutschland und den USA auch Frankreich, Kanada, Finnland, Dänemark, die Niederlande, Neuseeland, Norwegen und Schweden.

Das US-Außenministerium suchte Aufklärung. „Die Berichte sind uns bekannt und wir suchen jetzt Klarheit vom Außenministerium der Türkei“, sagte am späten Samstagabend ein Sprecher des State Department.

Hintergrund der Äußerungen Erdogans ist eine Erklärung der Botschafter von Anfang der Woche, in der sie die Freilassung des türkischen Unternehmers und Kulturförderers Osman Kavala fordern. Der 64-Jährige sitzt seit 2017 in Istanbul in Untersuchungshaft, obwohl der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) schon 2019 seine Freilassung angeordnet hatte. Die Türkei ignoriert das Urteil bislang.

Kavala wird ein Umsturzversuch im Zusammenhang mit den regierungskritischen Gezi-Protesten von 2013 sowie „politische und militärischen Spionage“ im Zusammenhang mit dem Putschversuch von 2016 vorgeworfen. Gegen ihn und mehr als 50 weitere Angeklagte läuft ein Verfahren in Istanbul, das Ende November fortgesetzt wird. Seine Unterstützer sehen die Vorwürfe als politisch motiviert. Kavala ist in der Türkei für seinen Einsatz für die Zivilgesellschaft bekannt, er fördert mit seiner Organisation Anadolu Kültür zahlreiche Projekte.

Die Krise um Kavala dürfte die Beziehungen zwischen dem Nato-Partner Türkei zu der EU und den USA stark belasten. Dabei haben sich gerade Deutschland und die Türkei eigentlich wieder angenähert, nachdem die Inhaftierung von deutschen Staatsbürgern 2017 zu einem tiefen Zerwürfnis in den bilateralen Beziehungen geführt hatte. Erst vergangene Woche hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel bei ihrem Abschiedsbesuch bei Erdogan die Wichtigkeit der deutsch-türkischen Beziehungen betont.

Deutsche Politiker verurteilten das türkische Vorgehen am Samstagabend scharf. Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) forderte Sanktionen: „Erdogans skrupelloses Vorgehen gegen seine Kritiker wird zunehmend enthemmt“, sagte Roth der Deutschen Presse-Agentur. Man müsse dem „autoritären Kurs Erdogans international die Stirn bieten“, Sanktionen erlassen und Rüstungsexporte in die Türkei stoppen.

Der FDP-Außenpolitiker Alexander Graf Lambsdorff schrieb auf Twitter, eine mögliche Ausweisung von zehn Botschaftern „wäre unklug, undiplomatisch und würde den Zusammenhalt des Bündnisses schwächen.“ Daran könne Erdogan kein Interesse haben. Von einer „außenpolitischen Eskalation“ sprach der CDU-Außenexperte Norbert Röttgen gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“. Erdogan „führt sein Land damit weiter in die umfassende Abwendung von Europa und dem Westen“.

Auch der türkische Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu kritisierte Erdogans Äußerungen scharf. Erdogan wolle mit dem Schritt nicht etwa nationale Interessen vertreten, sondern von der desolaten wirtschaftlichen Situation ablenken, schrieb er auf Twitter.

(felt/AFP/dpa)
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