Tunesien Islamisten erklären sich zum Wahlsieger

Tunis (RPO). Nach der ersten freien Wahl im bislang eher weltlichen Tunesien haben sich die gemäßigten Islamisten zum Wahlsieger erklärt. Die Ennahda-Partei habe nach ersten Ergebnissen im gesamten Land und in der Mehrheit der Wahlbezirke die meisten Stimmen erhalten, sagte Wahlkampforganisator Abelhamid Jlazzi in Tunis.

2011: Pöbeleien bei historischer Wahl in Tunesien
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2011: Pöbeleien bei historischer Wahl in Tunesien

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Von den bislang ausgezählten Stimmen entfielen 30 Prozent auf die Partei. Die gemäßigt linke Kongress-Partei für die Republik (CRP) hoffte auf den zweiten Platz, während die weltliche PDP ihre Niederlage einräumte und ankündigte, in die Opposition zu gehen. Das Endergebnis wird für Dienstag erwartet.

Laut ersten amtlichen Ergebnissen stand am Montag die Verteilung der 18 Mandate fest, über die im Ausland lebende Tunesier abgestimmt haben. Demnach gewann Ennahda neun der Sitze, während die linksgerichtete Partei Ettakatol vier Sitze beanspruchen kann und die ebenfalls linksorientierte Partei Kongress für die Republik drei

Die Proteste in der arabischen Welt nahmen zu Beginn des Jahres in Tunesien ihren Ausgang. Als Auslöser gilt der Tod eines Gemüsehändlers, der sich aus Protest gegen Armut und Übergriffe der Behörden selbst anzündete. Die Demonstrationen führten schließlich zum Sturz des langjährigen Machthabers Zine al-Abidine Ben Ali und griffen auf andere Länder über. Der Wahlausgang in Tunesien gilt als Barometer für die politische Stimmung in Ländern wie Ägypten und Libyen.

Nach Jahrzehnten der Unterdrückung in der früheren französischen Kolonie nutzten mehr als 90 Prozent der Tunesier ihr Wahlrecht. Die 217 Abgeordneten sind für eine Legislaturperiode von einem Jahr gewählt. Sie sollen die Verfassung neu schreiben, eine Übergangsregierung wählen sowie Parlaments- und Präsidentenwahlen ansetzen.

Vorbild Erdogan

Auch nach Einschätzung westlicher Diplomaten reichen die Stimmen für die gemäßigten Islamisten nicht aus, allein die Regierung zu stellen. Damit wäre eine Koalition wahrscheinlich. Parteichef Rachid Ghannouchi, der 22 Jahre im britischen Exil lebte, hat für Ennahda die gemäßigte islamistische Partei des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan zum Vorbild.

Nach Ghannouchis Worten respektiert seine Partei die Rechte der Frauen und will den Tunesiern keine moralischen Vorschriften machen. Anders als in Ländern auf der Arabischen Halbinsel wird der Islam von den meisten Tunesiern eher locker ausgelegt, was sich etwa am Alkoholkonsum zeigt, der in vielen anderen muslimischen Ländern verboten ist.

Wahlkampfmanager Jlazzi kündigte am Montag zudem an, internationale Partner und Investoren hätten bei einer Machtübernahme durch die Partei nichts zu befürchten. Ennahda werde in der Abgeordnetenversammlung an einem stabilen Büdnis arbeiten.

Trotz der gemäßigten Haltung von Ennahda gibt es bei einigen Tunesiern die Befürchtung, dass die neue Regierung in ihren Lebensstil eingreifen könnte. Der Sieg der Partei wäre der erste Erfolg von Islamisten in der arabischen Welt, seit die radikale Hamas bei der Wahl in den Palästinensergebieten als stärkste Kraft hervorging. Auch im benachbarten Algerien gewannen Islamisten 1991 die Wahl. Das Ergebnis wurde von den Streitkräften nicht anerkannt. Es folgte ein jahrelanger Bürgerkrieg mit Tausenden Opfern.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon äußerte sich über den Verlauf erfreut. Außenminister Guido Westerwelle sagte in Berlin, die hohe Wahlbeteiligung sei ermutigend und erfreulich. Der demokratische Prozess insgesamt müsse fortgesetzt werden. Dazu werde viel Unterstützung nötig sein.

(RTR)
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