Gerichtsmediziner legt Ergebnis vor Obduktion: Gaddafi starb durch Schussverletzung

Tripolis (RPO). Der gewaltsam ums Leben gekommene frühere libysche Diktator Muammar al Gaddafi ist nun doch obduziert worden. Nach Angaben eines Gerichtsmediziners wurde er durch Schussverletzungen getötet. Der Autopsiebericht soll an den Staatsanwalt gehen. Am Abend erklärte der Übergangsrat das Land offiziell für "frei".

Reaktionen auf den Tod Gaddafis
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Foto: dpa

Der Obduktionsbericht zum Tod Gaddafis soll nach Angaben des untersuchenden Arztes erst in einigen Tagen veröffentlicht werden. Sein Bericht sei noch nicht fertig, sagte der Rechtsmediziner Othman el Sentani am Sonntagabend der Nachrichtenagentur AFP in Misrata. Bislang könne er lediglich bestätigen, dass Gaddafi durch Schussverletzungen getötet worden sei; zur Bekanntgabe weiterer Details brauche er die Zustimmung seines Vorgesetzten, des Generalstaatsanwalts.

Rechtsmediziner el Sentani sagte, er habe Gaddafis Leiche in der Nacht zum Sonntag obduziert. Es habe sich um eine "komplette Standard-Autopsie gemäß allen wissenschaftlichen Regeln der EU" gehandelt. Er habe "Antworten auf alle Fragen", darunter auch die, ob Gaddafi bei Gefechten starb oder gelyncht wurde. Er erwarte, dass er in den kommenden Tagen "grünes Licht" für die Bekanntgabe des Obduktionsberichts erhalten werde, in dem "nichts verborgen" werde, versicherte der Arzt.

Widersprüchliche Angaben des Militärs warfen international Fragen auf, ob der 69-Jährige bei einem Feuergefecht starb oder exekutiert wurde. Auch drei Tage nach seinem Tod war Gaddafis Leichnam noch nicht beigesetzt. Der Freude am Tag der offiziellen Befreiungserklärung tat dies keinen Abbruch.

Libyen befreit

Denn am Sonntag begann in Libyen eine neue Ära: Der Vize-Präsident des Nationalen Übergangsrats in Libyen, Abdel Hafis Ghoga, erklärte das nordafrikanische Land nach Gaddafis Tod offiziell für "frei". Zu der Zeremonie in der nordöstlichen Stadt Bengasi hatten sich zuvor tausende Menschen versammelt. Binnen eines Monats sollen eine neue Übergangsregierung gebildet und innerhalb von acht Monaten erste Wahlen zu einer verfassungsgebenden Versammlung abgehalten werden.

Am Samstag sprach sich der derzeit amtierende Ministerpräsident Mahmud Dschibril dafür aus, dass die zu bildende Übergangsregierung bis zu den ersten Präsidentenwahlen im Amt bleiben sollte. Er selbst hatte angekündigt, sich nach der Befreiungserklärung aus der Regierung zurückzuziehen. Am Rande des Weltwirtschaftsforums in Jordanien sagte er außerdem, der Übergangsrat müsse die Kämpfer zügig entwaffnen. Es sei vordringlich, dass in den kommenden Tagen große Mengen Waffen eingesammelt würden.

Autopsiebericht wird an Staatsanwaltschaft übergeben

Wenige Stunden vor den Feierlichkeiten gab der oberste Gerichtsmediziner bekannt, Gaddafi sei durch einen Kopfschuss ums Leben gekommen. Gaddafi war am Donnerstag bei der Eroberung seiner Heimatstadt Sirte zunächst lebend gefangen genommen worden, wie Videoaufnahmen zeigen. Wie er dann zu Tode kam, ist unsicher. Auch die Todesumstände seines Sohnes Muatassim sind unklar. Über den Verbleib des Sohnes Seif al Islam gibt es widersprüchliche Berichte, anscheinend war er noch auf freiem Fuß. Der Gerichtsmediziner Othman al Sintani sagte am Sonntag, er werde den vollständigen Autopsiebericht im Fall Gaddafi an die Staatsanwaltschaft übergeben.

"Jetzt ist es vorbei"

Die meisten Libyer sind an den Todesumständen Gaddafis, der 42 Jahre lang an der Macht war, wenig interessiert, sondern eher erleichtert über dessen Tod: Ein Gerichtsprozess hätte doch nur für Chaos gesorgt, erklärte ein Einwohner der Hauptstadt Tripolis. "Jetzt ist es vorbei." De-facto-Regierungschef Mahmud Dschibril sagte dem britischen Fernsehsender BBC indes, dass er es bevorzugt hätte, wenn Gaddafi noch am Leben wäre. Dann hätte er sich den Fragen der Bevölkerung zu seiner Herrschaft stellen müssen, sagte Dschibril.

Unklarheit über die genauen Todesumstände Gaddafis und widerstreitende Ansprüche auf seinen Leichnam verhinderten bislang eine schnelle Beerdigung, wie sie der islamische Ritus eigentlich vorschreibt. Am Freitag lag der blutbefleckte Leichnam mit Schusswunden in Kopf, Brust und Bauch noch im Kühlraum eines Einkaufszentrums in Misrata. In langen Schlangen standen Einwohner der im Sommer schwer umkämpften Stadt an, um einen letzten Blick auf den verhassten Herrscher zu werfen.

Clinton fordert Aufklärung der Todesumstände

US-Außenministerin Hillary Clinton schloss sich der Forderung der UN nach Aufklärung der Todesumstände Gaddafis an: In einem Interview mit dem Fernsehsender NBC erklärte sie, ein demokratisches Libyen solle mit Rechtsstaatlichkeit, Verantwortung sowie Einheit und Versöhnung beginnen. Eine Untersuchung, wie Gaddafi ums Leben kam, sei Teil dieses Prozesses.

(apd/AFP/pst)
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