Krim-Krise Europa rückt zusammen

Moskau/Brüssel · Im Eiltempo verleibt sich Russland die Krim ein. Im Gegenzug rücken die EU und die Ukraine enger zusammen, Sanktionen werden ausgeweitet, Geschlossenheit demonstriert. Auch die Nato meldet sich zu Wort. "Niemand sollte die Entschlossenheit der Nato in Zweifel ziehen, falls eines ihrer Mitglieder bedroht würde", sagte Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen.

Europa spricht mit einer Sprache. Selbst EU-Kritiker David Cameron war voll des Lobes: "Wir senden eine klare, starke, einheitliche Botschaft", sagte der britische Premierminister am Ende des ersten EU-Gipfeltages in Brüssel. Die Europäische Union habe wirkliche Fortschritte darin erzielt, der Ukraine in der Krim-Krise zu helfen und die Sanktionen gegen Russland auszuweiten. "Die Welt wird das bemerken", war sich Cameron sicher, bevor er in die Nacht entschwand. Unabhängig von der Diskussion, welche EU-Maßnahmen die Ukraine tatsächlich stabilisieren und Russland zum Einlenken bewegen könnten - die wichtigste Botschaft der EU vom zweitätigen Treffen der Staats- und Regierungschefs lautet: Einigkeit.

"Europa hat einmal mehr gezeigt, dass es auch auf aktuelle Herausforderungen sehr gemeinsam und sehr geschlossen reagieren kann", erklärte Bundeskanzlerin Angela Merkel. Dieses Signal sei notwendig gewesen. Der ukrainische Ministerpräsident Arseni Jazenjuk lobte, dass die EU in der Krise mit einer starken und gemeinsamen Stimme spreche.
Zu verdanken hat die EU diesen Zusammenhalt dem Mann, den sie für die schwerste Krise auf dem Kontinent seit dem Ende des Kalten Krieges verantwortlich macht: Russlands Präsident Wladimir Putin. Mit seinem Vorgehen in der Krim-Krise hat er dafür gesorgt, dass sich die Reihen der Europäer schließen.

"Ich würde Putin nicht gleich für den Karlspreis vorschlagen", sagte die Fraktionschefin der Grünen im EU-Parlament, Rebecca Harms, mit Verweis auf die Aachener Auszeichnung an diejenigen, die sich um die europäische Einigung verdient machen. "Aber im Angesicht einer neuen Kriegsgefahr in Europa haben sich die EU-Staaten tatsächlich auf eine gemeinsame Russland-Strategie geeinigt". Diese Strategie beschrieb Merkel als Dreiklang aus Hilfen für die Ukraine, Sanktionen gegen Russland und weitere Gesprächsangebote. Der Zusammenhalt soll auch das Signal nach Moskau senden, dass sich die EU-Staaten nicht gegeneinander ausspielen lassen. "Das Letzte, was Russland will, ist ein starkes Europa", sagte der schwedische Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt.

Die Union als Wertegemeinschaft

Für EU-Parlamentspräsident Martin Schulz hat auch die Bedeutung der Union als Wertegemeinschaft zugenommen. Innerhalb der Gemeinschaft würden Konflikte vielleicht in Marathonsitzungen ausgetragen, aber nicht in einer offenen Konfrontation, sagte der SPD-Politiker in einem Reuters-Interview. "Der Wert unserer transnationalen Demokratie ist auch gerade an diesem Konflikt deutlich geworden." In dieser Einschätzung sind sich die führenden EU-Politiker unabhängig von Parteizugehörigkeit und Herkunftsland weitgehend einig - ein seltenes Phänomen nach Jahren der Euro-Schuldenkrise.

Das Gefühl der Einmütigkeit scheint sich auch auf Bereiche zu übertragen, die auf den ersten Blick nicht viel mit der Krim-Krise zu tun haben. So schafften Unterhändler von EU-Parlament, Mitgliedstaaten und Kommission in einer Marathonsitzung den Durchbruch bei den Verhandlungen über die zweite Säule der Bankenunion. Und am Donnerstagabend stimmten Luxemburg und Österreich der seit Jahren umstrittenen Zinsrichtlinie zu. Harmonie in allen Bereichen bedeutet der Zusammenhalt trotzdem nicht: So fanden die EU-Staats- und Regierungschefs keine gemeinsame Position bei den Klimazielen für 2030. Dafür kreisten die Diskussionen vielmehr um die Frage, wie man unabhängiger von russischen Gas-Lieferungen werden kann. Nach Merkels Ansicht könnte dabei auch der Import von Energie aus den USA eine Rolle spielen, die aus Schiefergas gewonnen wird.

Damit deutete sie zugleich an, dass die EU nicht nur auf dem Kontinent, sondern auch innerhalb der westlichen Allianz wieder den Schulterschluss sucht: Die Kanzlerin und US-Präsident Barack Obama vereinbarten in dieser Woche eine enge Abstimmung beim weiteren Vorgehen in der Krise. Erkennbar wurde das bereits beim Verhängen der Sanktionen. So beschlossen die USA und die EU Einreiseverbote und Kontensperrungen für bestimmte Russen und Ukrainer am Montag und erweiterten die Liste noch vor dem Wochenende.

Auch die Nato meldete sich am Freitag zu Wort. Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen warnte Russland. "Niemand sollte die Entschlossenheit der Nato in Zweifel ziehen, falls eines ihrer Mitglieder bedroht würde", sagte er am Freitag in Brüssel bei einer Diskussionsveranstaltung. "Unser Eintreten für die Sicherheit aller Verbündeten ist unverbrüchlich. Jetzt und in Zukunft." Er fügte hinzu: "Damit kein Missverständnis entsteht: Wir werden unsere Verbündeten verteidigen." Rasmussen sagte, Russland rede und verhalte sich nicht wie ein Partner, sondern eher "wie ein Gegner" der Nato.

(REU)
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