Brutales Vorgehen im Iran Wenn Religion zur Repression wird

Meinung · Das Beispiel Iran zeigt, wie Religion von Despoten missbraucht wird, um Macht über Menschen zu bekommen. Dahinter steht ein menschenfeindliches Gottesbild, das dazu führt, dass Menschen sich abwenden. Ein Plädoyer für ein alternatives Gottesbild.

 Eine iranische Studentin hält während einer Demonstration in Rom für die Menschenrechte im Iran ihre rot gefärbte Hand hoch.

Eine iranische Studentin hält während einer Demonstration in Rom für die Menschenrechte im Iran ihre rot gefärbte Hand hoch.

Foto: dpa/Cecilia Fabiano

Wenn Institutionen oder Personen Frauen zwingen, ein Kopftuch zu tragen, und sogar brutal gegen Demonstranten vorgehen, die zur Befreiung der Frauen von solchen Restriktionen aufrufen, dann frage ich mich als Theologe nach dem Gottesbild, das dem zugrunde liegt. Was ist das für ein Gott, dem das Bedecken der Haare einer Frau viel wichtiger ist als ihr Recht auf Selbstbestimmung und somit ihr Menschsein? Regime, Geistliche und Eltern, die im Namen des Islams Frauen zu Objekten der Hörigkeit machen wollen, haben ein Problem mit dem freien selbstbestimmten Menschen.

Psychologen und Soziologen beobachten hier zwei Prozesse: Zum einen handelt es sich um Minderwertigkeitskomplexe mancher Männer, die nicht ertragen können, dass Frauen auf Augenhöhe an der Gesellschaft partizipieren. Sie fühlen sich in ihrer Souveränität bedroht. Zum anderen handelt es sich um das Streben nach Macht und Kontrolle über Menschen, am besten im Namen des Heiligen.

Gerade in Gesellschaften wie dem Iran, in denen Restriktionen als Befolgung von göttlichem Willen verkauft werden, distanzieren sich immer mehr Menschen von diesem Gott. Sie nehmen ihn als Gott wahr, der nicht auf der Seite des freien Menschen steht, sondern der Despoten und Unterdrücker. Und dadurch, dass ein Alternativangebot zu diesem menschenfeindlichen Gottesbild fehlt, verlieren die Menschen in solchen Gesellschaften an Vertrauen in Religionen und religiöse Institutionen.

Es wird daher ein Alternativverständnis des islamischen Gottesbildes und damit des Islams benötigt, um bereichernde Potentiale zur Befreiung des Menschen und zur Verwirklichung seiner Glückseligkeit sowie seiner Interessen als verantwortungsvoller Mensch (in der koranischen Sprache: Kalif) zu entfalten. Der Umgang des iranischen Regimes mit seiner Bevölkerung ist ein Beispiel dafür, wie Religion zum Instrument der Repression wird. Ein Problem, unter dem der Islam seit seinen Anfängen kurz nach dem Tod Mohammeds leidet.

Unser Autor ist Islamwissenschaftler an der Universität Münster. Er wechselt sich hier mit der Benediktinerin Philippa Rath, der evangelischen Pfarrerin Friederike Lambrich und dem Rabbi Jehoschua Ahrens ab.

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