„Kann kein Schweigen mehr ertragen“ Bayer stellt sich hinter Profi Sardar Azmoun und seinen Aussagen über Iran-Proteste

Leverkusen · Der Iraner Sardar Azmoun sorgt mit Aussagen zu den Protesten in seinem Heimatland für Aufsehen – und nimmt den Ausschluss aus der Nationalmannschaft in Kauf. Bayers Sportgeschäftsführer Simon Rolfes solidarisiert sich mit dem Stürmer.

Sardar Azmoun im Trikot der iranischen Nationalmannschaft.

Sardar Azmoun im Trikot der iranischen Nationalmannschaft.

Foto: IMAGO/Sports Press Photo/IMAGO/Alireza Zeinali/SPP

Bayer Leverkusens Stürmer Sardar Azmoun hat sich am Sonntagabend via Instagram zu den anhaltenden Protesten in seinem Heimatland Iran geäußert und sich mit den Demonstranten solidarisiert. „Wegen der Regeln der Nationalmannschaft durften wir bis zum Abschluss unseres Trainingslagers nichts sagen, aber ich kann kein Schweigen mehr ertragen“, hieß es in dem Statement des 27-Jährigen. „Die ultimative Bestrafung wäre, dass sie mich aus dem Team werfen, was aber ein kleines Opfer im Vergleich zu jeder einzelnen Haarsträhne einer iranischen Frau wäre. Schämt euch alle, wie leichtfertig Menschen ermordet werden. Lang leben die iranischen Frauen.“

Nach dem Tod von Mahsa Amini ist es in den vergangenen Tagen in der islamischen Republik am Persischen Golf in mehreren Städten zu Protesten gekommen. Die 22-Jährige starb in Polizeigewahrsam. Zuvor war sie von den Sittenwächtern festgenommen worden, da sie ihr Kopftuch nicht entsprechend der strikten Regeln in dem Land getragen hatte. Menschenrechtsorganisationen gehen von einem tödlichen Schlag auf den Kopf aus, die Polizei spricht hingegen von Herzversagen. Der Todesfall der jungen Frau war der Funke, an dem sich heftige Proteste im Land entzündeten.

Azmoun befindet sich derzeit im Kreise seiner Nationalmannschaft in Österreich. Dort steht nach einem 1:0-Erfolg zuletzt gegen Uruguay noch das Testspiel an diesem Dienstag (16.30 Uhr) gegen den Senegal an. Ob Azmoun, der im Iran als Superstar, Idol und Volksheld gilt, noch Teil des Kaders ist, blieb am Montag unklar. Sein Statement zu den Demonstrationen war bereits am Montagmorgen gelöscht – wie alle seine Beiträge auf Instagram.

Bayer 04 Leverkusen: Das ist Sardar Azmoun
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Das ist Sardar Azmoun

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Foto: Jörg Schüler/Bayer 04 Leverkusen/Jörg Schüler

„Ich hatte Kontakt mit Sardar Azmoun, er wollte mit seinem Post vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse in seinem Heimatland die iranischen Frauen und Frauen im Allgemeinen unterstützen“, sagte Bayers Sportgeschäftsführer Simon Rolfes auf Nachfrage. Azmoun setze sich schon seit Langem für die Verbesserung ihrer Lebensumstände ein und fördere bekanntlich mit privaten Mitteln unter anderem ein Frauen-Volleyballteam. Rolfes: „Er solidarisiert sich sehr mit der weiblichen Bevölkerung Irans. Und natürlich unterstützen wir als Bayer 04 Leverkusen Sardars persönliches Engagement, weil er sich damit für die Wahrung und Stärkung demokratisch legitimierter Grundwerte einsetzt.“

Es ist nicht das erste Mal, dass sich Azmoun zur aktuellen politischen Situation in seinem Heimatland äußert. Der Stürmer bezog bereits vor einer Woche Stellung zum Fall Mahsa Amini und dem religiösen Fundamentalismus im Iran: „Wenn das Muslime sind, möge Gott mich zum Ungläubigen machen“, schrieb er ebenfalls bei Instagram. Das ist eine bemerkenswert klare Aussage gegen das Mullah-Regime, die ihn auch die WM in Katar kosten könnte – ein „kleiner Preis“, wie er betonte.

Seit der Islamischen Revolution 1979 gelten im Iran für Frauen strenge Kleidervorschriften. In der Öffentlichkeit müssen sie alles außer Hände, Füße und Gesicht mit dem Tschador bedecken, einem schwarzen Tuch, das über den ganzen Körper gelegt wird. Doch diese Vorschrift wird vor allem in den Städten immer seltener umgesetzt. Stattdessen zeigen Frauen nicht nur ihre Haare, sondern entsagen dem Tschador komplett und legen stattdessen Mäntel und Kopftücher (Hijab) an. In der überdurchschnittlich jungen iranischen Gesellschaft brodelt es nicht nur wegen der Frauenrechte bereits seit einigen Jahren, die aktuellen Proteste gehören zu den heftigsten der jüngeren Vergangenheit. Insgesamt sollen bereits mehr als 40 Menschen bei den Demonstrationen ums Leben gekommen sein.

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