Pilgerreisen extrem Ich bin dann dreimal weg

Krefeld · Der Krefelder Alexander Kamps ist alle drei großen Pilgerwege gelaufen, insgesamt rund 5500 Kilometer.

 Alexander Kamps auf dem Jakobsweg

Alexander Kamps auf dem Jakobsweg

Foto: Picasa

Einfach mal weg sein, den Rucksack schnüren und loslaufen, davon träumen viele Menschen, nicht erst seit Hape Kerkelings Bestseller. Einfach immer mal wieder weg sein, davon träumte Alexander Kamps. Nicht nur den legendären Jakobsweg zu wandern, sondern auch die Via Francigena und den Jerusalemweg. Die drei großen Pilgerwege. „Dieser Gedanke hatte sich irgendwann bei mir manifestiert“, erzählt der gebürtige Krefelder, der heute am Bieler See in der Schweiz lebt. Allerdings ist es nicht nur bei dem Gedanken geblieben: Der 44-Jährige ist innerhalb von zehn Jahren alle drei Pilgerrouten abgelaufen, war insgesamt 260 Tage unterwegs und hat rund 5500 Kilometer zurückgelegt. Ein Mammutprojekt, das bis heute nachwirkt, auch deshalb, weil er auf der Tour nach Rom seine Frau Anita kennenlernte. „Ich bin demütiger geworden“, sagt Kamps, „und habe gelernt, gelassener mit meinen Dämonen umzugehen.“

Dabei ist der Reiseverkehrskaufmann die Trips eher unbedarft angegangen, wie er selbst zugibt. Inspiriert von Coline Serreaus Film „Saint Jacques ... Pilgern auf Französisch“, der die Wallfahrt dreier Geschwister nach Santiago de Compostela schildert, und von Kerkelings Buch „Ich bin dann mal weg“, schnürte Kamps 2008 seine Schuhe. Die Gelegenheit sei günstig gewesen, Job und Wohnung hatte er gerade gekündigt, ein neuer Lebensplan war gescheitert. Der ideale Moment für eine Auszeit. „Ich dachte, das wird schon nicht so wild“, erzählt er. Ein Irrtum. Bereits am zweiten Tag stand Kamps kurz davor, aufzugeben, weil die Füße nicht mehr mitmachten. Nur ein wandernder Krankenpfleger hielt ihn davon ab, weil er medizinische Hilfe leistete, Blasen aufstach und reinigte. „Sonst wäre der Traum wohl geplatzt.“

Der Weg sei sein Lehrmeister gewesen, sagt Kamps. Auf dem Jakobsweg gestartet war Kamps mit einem rund 17 Kilo schweren Rucksack, inklusive Zelt und Schlafsack, dazu untrainiert und unerfahren. Schon bald speckte der Krefelder ab, ausrüstungstechnisch wie körperlich. Überflüssiges Material schickte er heim, die Pfunde fielen von alleine. „Mit 94 Kilogramm bin ich gestartet, mit 84 angekommen“, sagt er. Zehn Tage habe er gebraucht, um Körper und Geist an das Gehen zu gewöhnen, 111 Tage dauerte die Reise von Überlingen am Bodensee bis nach Santiago de Compostela insgesamt. Pro Tag schaffte Kamps rund 25 Kilometer, mal etwas mehr, mal weniger – am Ziel hatte er 2400 bewältigt. Und wollte mehr.

Am Ende bekam Kamps tatsächlich mehr, als er gedacht hatte. Denn auf der Via Francigena traf er 2013 zufällig eine Frau, die nur einige Abschnitte des 1100 Kilometer langen Pilgerwegs von Lausanne nach Rom (Kamps brauchte dafür 46 Tage) laufen wollte. Eine von vielen Begegnungen, aber eine mit Folgen. Das Paar heiratete, Anita wurde schwanger. Ausgerechnet 2016, als sich der Krefelder auf seine nächste Tour vorbereitete, vom Luganer See nach Jerusalem. Einzige Bedingung seiner Frau: Bitte zwei Monate vor der Geburt wieder zu Hause zu sein.

Deshalb kürzte Kamps ab, ließ etwa Syrien aus und wählte für Teiletappen den Seeweg. In 99 Tagen wanderte er 2000 Kilometer. „Das war die strapaziöseste Reise“, sagt er. Vor allem Hitze und Verkehr machten ihm zu schaffen. Kamps wanderte viele Tage an Straßen entlang; von Sonnenaufgang an blieben ihm nur etwa vier Stunden, bis die Hitze jedes Gehen unmöglich machte.

Über jede seiner Pilgerreisen hat Kamps ein Buch geschrieben. Das Wandern habe seine Wahrnehmung verändert, sagt er. Er schaue bei vielen Dingen genauer hin, eine Folge der Langsamkeit. Das Pilgern habe Kamps, der christlich erzogen worden sei, aber nicht näher zu Gott gebracht. Wobei den Pilgerwegen natürlich etwas Spirituelles anhafte, und man diese Spiritualiät auch in den Begegnungen mit anderen Wanderern spüre.

Dennoch sei seine Motivation bei allen Reisen eine andere gewesen. „Ich wollte eine Auszeit, interessante Länder kennenlernen und Menschen treffen, die ein Ziel haben“, sagt er. All das habe sich erfüllt. Und lässt ihn nicht mehr los. Denn nach Jahren der beruflichen Selbstständigkeit schult Alexander Kamps zwar derzeit um auf Flugbegleiter. Am liebsten aber möchte er wieder die Wanderschuhe auspacken. „Ich träume von einer Weltreise zu Fuß“, sagt er. „Aber das wird wohl ein Traum bleiben.“

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