„Tatort“-Vorschau Wuttke, Wahnsinn, Walpenis

Frankfurt · Janneke und Brix treffen auf einen durchgeknallten Psychiater. Der wird wahnsinnig gut gespielt von Martin Wuttke, und überhaupt ist alles angerichtet für ein Fernseh-Fest. Dann geht es steil bergab.

 Können gar nicht gut miteinander: Der Psychiater Adrian Goser (Martin Wuttke, links) und Ermittler Paul Brix (Wolfram Koch).

Können gar nicht gut miteinander: Der Psychiater Adrian Goser (Martin Wuttke, links) und Ermittler Paul Brix (Wolfram Koch).

Foto: HR/Bettina Müller

Erst fliegt eine Kameradrohne durch die Allee zur Villa eines Star-Psychiaters, wenig später fährt eine mittelgroße Kolonne mit Sirenen und Blaulicht dieselbe Strecke ab. Sanitäter stürmen ins Haus, um den Teilnehmern einer Gruppensitzung mit Drogeneinsatz zu helfen, denen vielleicht noch zu helfen ist. Bloß einer hat die Chuzpe, in dieser Situation am Flippertisch zu stehen: Paul Brix (Wolfram Koch). Darf er aber auch, weil er überhaupt nicht vor Ort ist, sondern noch in der Bar seiner Mitbewohnerin Fanny (Zazie de Paris), die bloß ähnlich dezent ausgeleuchtet ist wie der Großeinsatz am Tatort. Wenig später dann ist Brix der x-te, der denselben Weg fährt. Im Treppenhaus kommen ihm seine Partnerin Anna Janneke sowie einige Bestatter entgegen. „Scheint ‘ne wilde Party gewesen zu sein“, murmelt er. Darauf Janneke: „Wohl eher ein Massaker. Der Mann da hat sich den eigenen Penis abgeschnitten.“ Brix: „Verdammte Freaks.“

So oder so ähnlich dürften sich am Sonntagabend mehrere Millionen Menschen über die Macher dieses Films äußern.

Dabei geht es zunächst munter weiter: Janneke kennt Adrian Goser (Martin Wuttke) – und verteidigt den Psychiater, der für Therapien mit dem Konsum bewusstseinserweiterender Drogen berühmt-berüchtigt ist. „Der schreibt gar nicht schlecht“, sagt sie. „Bisschen verworren vielleicht.“ Ihre Fürsprache ändert nichts. Goser landet im Gefängnis, denn keiner seiner „Psychonauten“ hat die Sitzung überlebt. Die Anklage soll auf sechsfachen Totschlag lauten. Brix‘ Urteil steht schnell fest: Goser ist ein scheinheiliger Guru, der hilfsbedürftige Menschen in drogenabhängige Jünger verwandelt. Weshalb er sie dann umbringen sollte? Weiß Brix auch nicht recht. Schwer in Form ist er aber, während Janneke dasselbe tut wie so oft: Abwechselnd die Augen aufreißen und eine Schnute ziehen. Die arme Margarita Broich kann ja auch nichts dafür, das soll ja offensichtlich so.

Der Ex-Mann ebenjener Schauspielerin aber, ihr Berufskollege Martin Wuttke, einem internationalen Publikum als Hitler-Darsteller in Quentin Tarantinos „Inglourious Basterds“ bekannt, reißt vieles raus.

Seine Figur, ihres Zeichens Autor des Kinderbuchs „Fang mit mir den Fliegenpilz“ (Selbstverlag?) und mystischer Verklärer von Arnold Schwarzenegger (!), steht im Zentrum der Aufmerksamkeit. Er predigt und flirtet, grantelt und schwärmt und provoziert Brix bis aufs Blut. Augenscheinlich hat er selbst einen amtlichen drogeninduzierten Dachschaden – oder tut er nur so?

Neben dieser Frage stellt sich, nachdem eine Tatortbegehung völlig aus dem Ruder läuft, eine zweite: Will jemand Goser töten – oder aber aus der U-Haft befreien? Die Ausgangslage ist prima – und dann geht es so schnell so steil bergab, dass es fast schon wieder imposant ist.

Dass ein mit großem Bohei eingeführter geheimnisvoller Unbekannte weder geheimnisvoll noch unbekannt ist, kann man frech finden, aber auch als Protest gegen die allgemeine Inflation des Prinzips „Plot Twist“ anerkennen. Geschmackssache. Unbestreitbar allerdings reihen sich bald Logiklöcher der Größe von Bankhochhäusern aneinander, und es taucht eine Figur auf, die so grotesk überzeichnet ist, dass sie für so ziemlich jede vorstellbare Kinderserie zu plump wäre. Wer trotzdem tapfer dranbleibt, erlebt gegen Ende eine nette Szene mit einem Walpenis und wird ganz zum Schluss Zeuge einer kleinen Revolution im Verhältnis von Janneke und Brix.

Es sind Belohnungen wie zweistellige Lottogewinne.

„Tatort: Leben Tod Ekstase“, Das Erste, So., 20.15 Uhr

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