„Tatort“-Vorschau Murot mit menschlichen Makeln

Düsseldorf · Der elfte Fall mit Ulrich Tukur als Felix Murot dürfte auch Zuschauern gefallen, die keine Fans der meist arg experimentellen Filme sind. Zwei Frauen spielen groß auf.

 Bahnt sich da was an? Eva (Anna Unterberger) und Felix Murot (Ulrich Tukur).

Bahnt sich da was an? Eva (Anna Unterberger) und Felix Murot (Ulrich Tukur).

Foto: Pressestelle/HR

Die Lage ist ernst: LKA-Legende Felix Murot lässt seine Assistentin Magda Wächter nicht bloß wie üblich den Großteil der Detektivarbeit machen. Der kultivierte Kriminalist blafft die treue Seele an und lügt ihr sogar ins Gesicht, schläft bei seiner Wildgänse-Doku auf dem Sofa ein statt brav im Bett – und trinkt ein Wasser direkt aus der Flasche. Sein herrlich exzentrischer Oldtimer mit dem Wankelmotor ist nirgends zu sehen. Wie gesagt: Die Lage ist ernst.

„Es kommt der Tag, da will die Säge sägen“, sprach einst Bergmann Katlewski im Ruhrpott-Klassiker „Jede Menge Kohle“. In diesem Film sägt Hauptdarsteller Ulrich Tukur mit Vergnügen am Denkmal seiner Figur Felix Murot. Der Ermittler schien ja immer über den Dingen zu schweben – egal, was war: Hirntumor-induzierte Halluzinationen oder Schießereien mit 54 Toten in einem einzigen Fall. Aufeinandertreffen der Figur mit einem Doppelgänger und mit ihrem eigenen Darsteller. Zeitschleife mit Geiselnahme. Zombie-Horror-Western-Action. Und so weiter und so fort. Manche sind ja ganz hingerissen von diesen mal subtilen, mal frontalen Angriffen von innen auf die Institution Sonntagskrimi – der Autor dieser Zeilen gehört im Grundsatz dazu. Aber vielen ist es zu viel.

Der elfte Fall namens „Murot und das Gesetz des Karma“ ist ein Angebot zur Versöhnung der beiden Gruppen. Die Handlung ist recht gradlinig, viele Nebenfiguren aus der Feder von Lars Hubrich („Tatort: Falscher Hase“) umso skurriler.

Der Einstieg sieht, so viel darf man verraten, so aus: Murot probt ein letztes Mal seinen Text in der Lobby eines schicken Hotels; er soll einen Vortrag halten vor Versicherungsmanagern. In seiner Nähe warten eine junge Frau und ein hypernervöser älterer Mann, den sie nach einem Kurzausflug zur Kaffeemaschine umrennt. Der Mann hat einen gestohlenen Laptop dabei, doch als er ihn einem Käufer übergeben will, ist das Diebesgut weg. Zur Strafe wird der dusselige Dieb dahingemeuchelt. Parallel dazu lässt sich auch Murot übertölpeln: Als ihm nach getaner Arbeit eine Frau an der Hotelbar auffällt, machen seine kriminalistischen Instinkte Kurzurlaub. Am nächsten Tag steht er gleich mehrfach dumm da, als hormongesteuert nämlich und unredlich in Finanzfragen obendrein, weil er „vergessen“ hat, den lukrativen Vortrag offiziell als Nebentätigkeit anzugeben. Noch dazu droht ihn eine Jugendsünde einzuholen. Murot mit menschlichen Makeln, auf Normalmaß heruntergestutzt. Fast einer von uns.

Das ist ungewohnt, aber hochwillkommen. Schön gefilmt ist es auch; der mit einem Emmy gekrönte Kameramann Max Preiss weiß, was er tut. Konservative Krimigucker seien aber vor den Figuren gewarnt. Da wären ein Investment-Heini mit branchenüblichem Gottkomplex, hörigem Handlanger und schnöseligem Pförtner, ein Nebenerwerbs-Bauchredner mit erstaunlichem Warenangebot (Sascha Nathan), ein schrankwandgroßer Bodybuilder aus dem Ostblock, ein moralisch bankrotter Ex-Musiker (Jan Georg Schütte), ein hinduistischer Hausarzt sowie heitere Hippies, Hackerinnen und Hühnerbäuerinnen in einem historischen Häuschen.

Ja, dieser Film ist ein Kompromiss – konsequent gewesen wäre der Verzicht auf einen kompletten Handlungsstrang (nach dem Schauen werden Sie schon wissen, welchen) zugunsten tiefergehender Erforschung des Kernthemas. Aber der Kompromiss ist einer der besseren Sorte. Und das Beste sind Murots Helferlein in Hochform (Barbara Philipp) sowie die famose Verwandlungskünstlerin Eva (Anna Unterberger).

„Tatort: Murot und das Gesetz des ­Karma“, Das Erste, Sonntag, 20.15 Uhr

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