„Tatort“ aus Zürich Flop Schwiiz

Zürich · Auch der vierte Züricher „Tatort“ mit den Ermittlerinnen Grandjean und Ott enttäuscht. Dabei ist das Thema spannend: Im Fokus stehen Pharma-Fieslinge.

Kleiner Lauschangriff: Tessa Ott (Carol Schuler, links) und Isabelle Grandjean (Anna Pieri Zuercher) mit Computer-Crack Noah Löwenherz (Aaron Arens).  Foto: Sava Hlavacek/SRF

Kleiner Lauschangriff: Tessa Ott (Carol Schuler, links) und Isabelle Grandjean (Anna Pieri Zuercher) mit Computer-Crack Noah Löwenherz (Aaron Arens). Foto: Sava Hlavacek/SRF

Foto: Sava Hlavacek/SRF

Ist das noch Humor oder schon Sabotage? Wer die ewige „Tatort“-Begeisterung anfachen will, hat als Programmplaner des Ersten Deutschen Fernsehens diverse Optionen. Aber mit Fällen aus Ludwigshafen (seit 33 Jahren Durchschnitt) und Zürich aus der Sommerpause zu kommen – das muss man sich erst mal trauen.

Nun ist es ja nicht so, dass alles am konstant klischeebeladenen Schweizer „Tatort“ schlecht wäre. Gut ist unter anderem, dass man anderthalb Stunden für ein gutes Buch oder ein ausgedehntes Abendessen gewönne, wenn man den Fernseher sonntagabends einfach mal aus ließe. Und Strom gespart hätte man noch dazu.

Vor einem knappen halben Jahr erst lief der dritte Fall des Duos Isabelle Grandjean (Anna Pieri Zürcher) und Tessa Ott (Carol Schuler), das ist nicht lange her und fühlt sich noch viel kürzer an. 6,84 Millionen Menschen hatten „Schattenkinder“ eingeschaltet – „Tatort“-Negativrekord 2022. Nun also der vierte Streich: „Risiken mit Nebenwirkungen“ nimmt Pharma-Fieslinge in den Fokus und auch deren aalglatte Anwälte.

„Du weißt, dass du anderen kranken Kindern schadest, wenn Volmelia deinetwegen nicht zugelassen wird…?“, schleudert zu Beginn eine biestige Verteidigerin der schwer kranken Klara Canetti entgegen. In den Raum hinein sagt sie über die Jugendliche, die an NMO leidet, einer tückischen Krankheit, die Multipler Sklerose ähnelt: „Sie kann froh sein, dass sie noch lebt.“ Da wird es der Mutter zu bunt: „Meine Tochter hat jeden Tag höllische Schmerzen wegen diesem Dreckszeug!“, schreit sie und bricht die Befragung ab. Der Anwältin Corinne Perrault zischt sie zu: „Sie sollten sich schämen!“ Das scheint Perrault zu treffen, und wenig später ist sie tot, dahingemeuchelt mit einer Insulinspritze.

Schuld ist A) die Mutter der unter Druck gesetzten Patientin Klara, B) die Chefetage des Pharma-Konzerns Argon, Hersteller des umstrittenen Medikaments Volmelia, oder C) deren aalglatte Anwälte, also die Chefin oder der Lieblingskollege der Ermordeten.

Halten Sie sich fest: Die immer noch um jeden Preis und in allem ungleichen Ermittlerinnen verfolgen entgegengesetzte Theorien, und auch die Synchronisation des Schwyzerdeutschen bleibt eine schwere Prüfung. Dazu wird eifrig der helvetische Holzhammer geschwungen: Tessa Ott fährt zu jedem Termin im Großraum Zürich mit seinen 1,3 Millionen Einwohnern mit dem Fahrrad. Die Zeit nimmt sie sich. Auch wenn die Uhr tickt, weil die 24-Stunden-Frist nach einer vorläufigen Festnahme abläuft. Damit ihre Partnerin Grandjean nicht mehr ganz so kühl, unnahbar und verstockt wirkt, versucht die sich neuerdings als Rapperin. Doch, doch, wirklich. Derweil macht der Nerd Noah im Polizeipräsidium krasse Computersachen.

Und sonst? Zu übertrieben treibender Musik wird verbissen geradelt und verzweifelt geraucht. Bestverdiener pöbeln ihre Putzfrauen an und zerdeppern danach demonstrativ Blumenvasen auf dem edlen Boden, damit auch ja niemand vergisst, wer der Boss ist.

Dieser Film zeigt kaum mehr als das, was alle Welt schon vorher wusste: Unheilbare Krankheiten sind die Hölle auf Erden. Die Entwicklung von Medikamenten ist kostspielig und risikoreich, aber potenziell hochprofitabel. Konzernzentralen bestehen aus kalten Materialien wie Glas und Sichtbeton. Edle Anwaltskanzleien haben hohe Decken. Und am Zürichsee herrscht oft Nebel. Vielen Dank für Nichts.

Tatort: Risiken mit Nebenwirkungen“, Das Erste, So., 20.15 Uhr

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